Konsequent torloses Spiel:"Nullnull ist gut"

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Auch wenn Augsburg nicht Spalier steht bei den Berliner Träumen von Europa, hilft das Unentschieden der Hertha doch mehr als dem FCA. Die Dramaturgie allerdings endet kärglich.

Von Klaus Hoeltzenbein, Berlin

Natürlich sei auch er kein Hellseher. Auch er wisse nicht, ob die Zeit nach der Winterpause so schön werde, wie es vor der Winterpause war. Er wisse nur eines, hatte Pal Dardai, der Hertha-Trainer, allen Berlinern verraten: Wiederholt sich in der Rückrunde, was vor der Winterpause geschah, "dann warten wunderbare Reisen".

Die Hertha träumt! Wer will es ihr verdenken, nach 32 Punkten und dem Überwintern auf Rang drei. Das wäre, könnte Hertha den Rang behaupten, ein Champions-League-Startplatz - und welche europäische Hauptstadt war in diesem Wettkampf denn schon so lange nicht mehr vertreten wie die deutsche? Seit 16 quälenden Jahren, das hatten vor Rückrunden-Anpfiff alle Medien den Berlinern noch einmal erzählt, habe man diesem Wettkampf nur von Ferne und vor dem Fernseher zugesehen.

Viel Energie im Mittelfeld, wenig Präzision in den Strafräumen

Nun ist der FC Augsburg kein Gegner, der Spalier steht, keiner, der romantischen Träumern freiwillig aus dem Weg geht. Und ebenfalls einer, der mit viel Schwung und positiven Erlebnissen in die Winterpause eingebogen war. Heraus kam dann im froststarren Olympiastadion allerdings ein Duell, über das man selbst in bester Absicht nur wenige Worte verlieren kann: Beide Teams neutralisierten sich vor der Pause auf - angesichts der Temperaturen - ordentlichem, später kärglichem Niveau. Selten wurde deshalb in der Bundesliga ein 0:0 konsequenter ausgespielt. Durchaus mit viel Energie im Mittelfeld, aber doch ohne jede Präzision in den vom Winter aufgerauten Strafräumen.

Herthas Vedad Ibisevic ist fokussiert. Aber sein Einsatz schlägt sich nur mit einer gelben Karte zu Buche. (Foto: Reuters/Hannibal Hanschke)

Die zweite Halbzeit lässt sich gar auf eine einzige Torraum-Szene verdichten. Kurz nach dem Seitenwechsel schon hatte Augsburgs Raúl Bobadilla die komplette Hertha-Abwehr inklusive Torwart ausgetanzt - doch den Ball schob der Argentinier anstatt ins Netz überhastet ins Aus. An diese eine Szene klammerten später auch beide Trainer kurz und knapp ihr Fazit. "Uns ist der Big Point nicht gelungen", sagte Augsburgs Markus Weinzierl. "Deshalb geht das Nullnull in Ordnung." Herthas Dardai war im Kern noch schneller fertig: "Nullnull ist gut!"

Nur ein Aufreger folgte noch in der erlahmenden Dramaturgie, als Augsburgs Torwart Marwin Hitz eine zeitlang regungslos am Boden blieb. Herthas Ibisevic hatte ihn in der 62. Minute bei einer Faustabwehr unsanft unterlaufen, Hitz stürzte aus hoher Höhe aufs gefrorene Geläuf, Betreuer eilten herbei, doch kurz darauf erhob sich Hitz und brachte die Kälteschicht samt Punktgewinn zu Ende. Beide Teams bleiben damit auf Kurs; Augsburg hamstert weiter Punkte und stimmte sich in Liverpool-roten Trikots schon mal auf die nächste Europa-League-Herausforderung im Februar ein, die Hertha behauptet Platz drei, auf dem sie überwintern durfte.

Den Spielern wird warm, sie zanken und hakeln im Kühlschrank Olympiastadion

Die Berliner träumen also weiterhin von Fernreisen - und schon vor der Pause ging mancher Gedanke im Stadion nach Mailand und Madrid, aber auch Mallorca und auf die Malediven. Die 35.196 Besucher froren. Zunächst weniger wegen beider Teams, die bekanntlich gut sortiert sind. Beide Torhüter, der Norweger Jarstein bei der Hertha, mehr noch der Schweizer Hitz beim FCA, waren ziemlich gut beschäftigt, obwohl die Halbzeit-Bilanz der klaren Torchancen streng genommen auch nur ein 1:1 erbrachte. Ein athletischer Kopfball von Caiuby (23.) war nicht genau genug aufs Hertha-Tor platziert - ein strammer Ibisevic-Schuss (38.) zwang Hitz zu Boden.

Den Spielern wurde warm, sie zankten und hakelten, bildeten einige Rudel, die Schiedsrichter Stieler nur schwer trennen konnte. Doch trotz demonstrativer Leidenschaft: Es wurde nie so richtig warm im Olympiastadion, dem ohnehin kältesten Kühlschrank der Stadt. In dem jedem, der nicht so viel rennen durfte wie die Männer in den kurzen Hosen, permanent Begriffe wie Arktis, Blitzeis, Sibirien oder Frostschutzmittel durch die Sinne strömten.

© SZ vom 24.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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