Kommentar zum Erfolg der DFB-Auswahl:Der Name der Hoffnung

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Von Josef Kelnberger

(SZ vom 20.11.2003) - Von den Franzosen lernen heißt - nein, nicht gleich siegen lernen, das ist so eine typische Übertreibung. Früher hielt man die französischen Fußballer in Deutschland für brotlose Künstler, denen man mit dem Hintern ins Gesicht springen konnte, so wie einst Toni Schumacher mit Battiston verfuhr (dem er großzügig die ausgeschlagenen Zähne zu ersetzen anbot), und denen man im Elfmeterschießen den Garaus machte. 1998 noch nannte man sie Zufallsweltmeister, und jetzt, nach dem 0:3 vom Samstag, wirft man sich vor ihnen in den Staub, als seien sie Überirdische.

Nein, von den Franzosen lernen heißt erst einmal: Französisch lernen. Zum Beispiel das Wort espoir, vielmehr den Plural: espoirs. Hoffnungen. So nennen die Franzosen ganz offiziell ihre Nachwuchsauswahl, die man in Deutschland so hässlich U 21 nennt, bloß weil sie alle unter 21 Jahre alt sein müssen. Aber kann man jemanden, der U 21 heißt, hegen und pflegen und lieben?

Die deutschen Hoffnungen, wie sie fortan heißen sollen, haben am Dienstag in Istanbul einen bemerkenswerten Aufschwung erfahren. Haben sich nach einem Rückstand nicht hängen lassen wie die Kollegen aus La Mannschaft von Rudi Völler, haben weiter gekämpft und kombiniert und sind belohnt worden. Mit französischem Pathos würde man sagen: Sie haben einer ganzen Generation von Fußballern einen Dienst erwiesen. Es locken Europameisterschaften im eigenen Land, Olympia, einigen vielleicht schon die Europameisterschaften der Großen in Portugal, in jedem Fall tragende Rollen bei der WM 2006 im eigenen Land. Hoffnungen eben.

Die Meinung, dass man die Nachwuchsarbeit in Deutschland von Kindesbeinen an reformieren muss, ist jetzt nicht unbedingt widerlegt. Aber es zeigt sich: Man braucht in der Bundesliga die jungen Deutschen einfach nur spielen zu lassen, so wie das - aus Einsicht und auch aus Not - in Stuttgart Felix Magath vormachte, und sie schwimmen sich schon frei. Magath hat damit zumindest einen Trend geschaffen. Eine Garantie, dass diese Generation irgendwann die Klasse der Franzosen erreicht, ist das nicht. Denn die großen französischen Hoffnungen sind alle erst in der Fremde gereift, bei ausländischen Großklubs.

Frankreichs aktuelle Espoirs werden weder bei der EM noch bei Olympia vertreten sein. Sie verloren am Dienstag das Heimspiel im Elfmeterschießen gegen die Portugiesen. Die werden zu Hause übrigens Sub-21 genannt; von den Portugiesen gibt es also nichts zu lernen.

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