Kommentar:Zocker im Spiel

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Der Fall des Fußball-Schiedsrichters Hoyzer deutet auf systematischen Wettbetrug hin. Für den DFB wäre es hilfreicher gewesen, die Sache nicht selbst - erwartungsgemäß ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn - zu betreiben, sondern die Staatsanwaltschaft einzuschalten.

Von Thomas Kistner

Das böse Wort ist ja nun leider in Umlauf: Nie habe er gedacht, dass im deutschen Fußball Zustände wie in einer "Bananenrepublik" herrschen würden, sagte am Wochenende Bernd Hoffmann in Dutzende Fernsehkameras; der Vorstandschef des Hamburger Sportvereins bezog dies auf Betrugsvorwürfe, die sich um schändliche Aktivitäten des Schiedsrichters Robert Hoyzer ranken.

Der soll sich und womöglich einem Kreis von Hintermännern persönliche Vorteile durch falsche Entscheidungen auf dem Platz verschafft haben. In der strafrechtlichen Konsequenz geht es um Wettspielbetrug durch manipulierte Spielergebnisse.

Schlimm ist, dass dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) die größte Korruptionsaffäre seit dem Bundesliga-Skandal 1971 droht. Unpassender noch ist der Zeitpunkt des neuerlichen Sündenfalls.

Soeben hat die Bundesregierung um Spielmacher Gerhard Schröder eine beispiellose, 20 Millionen Euro teure Imagekampagne angeschoben, die den schönen Arbeitstitel "1. FC Deutschland 06" trägt und in fiebriger Vorfreude auf die Fußball-Weltmeisterschaft hierzulande das nicht mehr ganz so glanzvolle Deutschlandbild im Ausland aufpolieren soll.

Nun das: Der deutsche Fußball im Ruch einer Bananenrepublik - nicht wegen der Causa Hoyzer, sondern weil sich diese Schiedsrichter-Affäre nicht als isolierter Einzelfall betrachten lässt.

Neue Dimension des Betrugs

Diese Hoffnung ist zunichte, weil schon Mitte Dezember ein Manipulationsverdacht in der Profibranche kursierte, der gleichfalls aus dem Wettspielmilieu herrührte und seither die Staatsanwaltschaft Duisburg beschäftigt.

Damals ging es um das Zweitliga-Spiel Aue gegen Oberhausen, das die Oberhausener dank eines tölpelhaften Eigentores und eines ebenso auffällig verursachten Elfmeters 0:2 verloren - nachdem ausgerechnet diese banale Partie an Asiens mafiösen Sportwettmärkten derart hoch (auf just dieses Resultat) bewettet worden war, dass sie Stunden vor dem Anpfiff von den Listen der nervös gewordenen Wettanbieter in Europa gestrichen wurde.

Weil überdies der europäische Fußballverband Uefa gerade wegen Wettspielmanipulation in Griechenland ermittelt, wäre es töricht, noch in Abrede zu stellen, dass dem System Profifußball eine neue Dimension des Betrugs zusetzt.

Allein die größten acht, neun illegalen Buchmacher Asiens setzen an einem Wochenende nur mit Europas Fußball-Ligen rund 150 Millionen US-Dollar um - jeder von ihnen. Derzeit ist in kaum einem Markt leichter Geld zu verdienen als auf dem Feld der Sportwetten.

Insofern sind die bisherigen Aufklärungsbemühungen des DFB-Kontrollausschusses zu rügen. Chefermittler Horst Hilpert hatte die Oberhausen-Affäre im Blitzverfahren eingestellt, ohne das Schattenreich der Zockerbranche nur am Rande beleuchtet zu haben - nach dem Motto: Skandale sind anderswo.

Alles unterm eigenen Dach austragen

Das alte Verbandsprinzip, Konflikte diskret unterm eigenen Dach auszutragen, haben die DFB-Funktionäre nun auch im Fall Hoyzer gepflegt - wobei delikat ist, dass erneut wichtige Anhaltspunkte aus der Wettspielszene kamen.

Diesmal aber ging es nicht um eine Vereinsaffäre, die auf die Zuständigkeit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zurückfiele, der neue Fall Hoyzer betrifft einen DFB-Schiedsrichter.

Also ging der Kontrollausschuss nun mit großem, womöglich zu großem Eifer zu Werke. Jedenfalls war der Anfangsverdacht auf eine Betrugsstraftat wohl früh genug ersichtlich, weshalb hilfreicher gewesen wäre, die Sache nicht selbst - erwartungsgemäß ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn - zu betreiben, sondern die Staatsanwaltschaft einzuschalten.

So, wie es der DFB ja einst in der Kokain-Affäre um den Trainer Christoph Daum gehalten hatte. Bekanntlich verfügt die Justiz über wirkungsvollere Ermittlungsinstrumente als ein Fußballverband.

Sie kann, das Überraschungsmoment nutzend, Razzien, Überwachungen und Vernehmungen durchführen, sie kann Festplatten und Telefonlisten durchforsten. Das könnte hilfreicher sein in Fällen, die auf organisierten Betrug hindeuten.

Der von Juristen geführte DFB, der sich nun als erbarmungslose Verfolgungsinstanz geriert, hat den Handlungsspielraum für professionelle Ermittler also stark begrenzt. Diesen Vorwurf muss sich der Verband machen lassen.

Ob dies aus Übereifer geschah oder aus dem Bedürfnis, den Ball so lange wie möglich flach zu halten, um nach der Oberhausen-Affäre nicht gleich ins nächste Imagedesaster zu schlittern, wird kaum zu klären sein.

Erkennbar ist, so oder so, die Überforderung des Sportverbandswesens mit den modernen Realitäten der milliardenschweren Fußballindustrie. Deshalb geht es aus Sicht der Branche nicht mehr um weit gehende Aufklärung, sondern darum, größeren Flurschaden zu vermeiden.

Der deutsche Profispielbetrieb ist kurz vor der WM 2006 darauf angewiesen, dass keinerlei Irritationen den Erfolg schmälern - den sportlichen und den wirtschaftlichen.

Deshalb müssen die schwelenden Affären nicht nur lückenlos, sondern vor allem von kompetenter Seite aufgeklärt werden. Damit Schröders 1. FC Deutschland 06, wenn er in 17 Monaten die "Welt zu Gast bei Freunden" empfängt, seine Feinde im Inneren kennt.

© SZ vom 25.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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