Kommentar:Vorboten der Vergänglichkeit

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Die goldene Ära im Tennis, die von Federer, Nadal, Djokovic und Murray bestimmt wurde, nähert sich ihrem Ende.

Von Barbara Klimke

Kurz vor dem ersten Donneraufschlag bei den Australian Open hat Rafael Nadal schöne Grüße von seinem linken Oberschenkel ausgerichtet: Alles bestens. Auch vom Sprunggelenk, das er noch im November operieren ließ, kam offenbar keine Klage. Roger Federers Knie hält schon eine Weile still. Und der Ellbogen von Novak Djokovic, ein für seine Widerborstigkeit bekanntes Gelenk, gibt derzeit anscheinend ebenfalls Ruhe. Nur die chronisch kranke Hüfte von Andy Murray jagt derartige Schmerzsignale durch den geschundenen Körper, dass der Schotte jetzt kapitulierte und das nahe Ende der Karriere angekündigt hat.

Es hätte jeden treffen können. Das lange Zeit als nahezu unschlagbar geltende Quartett im Männertennis, das durch so viele Schlachten ging, ist müde geworden. In den vergangenen zehn Jahren haben der Schweizer Federer, der Spanier Nadal, der Serbe Djokovic und der Brite Murray 35 von 40 verfügbaren Grand-Slam-Titeln unter sich aufgeteilt. Siege kennen kein Alter, pflegten sie zu sagen, wenn sie wieder einmal einen Angriff der Jugend erfolgreich abgeschmettert hatten; aber auch an solchen Motivationssprüchen nagt irgendwann der Zahn der Zeit. "Heute ist es Andy, morgen ein anderer", stellte Nadal am Samstag in Melbourne ohne Sentimentalitäten klar. "Unsere Generation ist über 30 Jahre alt. Es ist der Lauf der Dinge, dass so ein Rücktritt irgendwann passiert."

Tatsächlich haben sich die Großen Vier oft dank ihrer enormen Erfahrung, Übersicht und Routine durch die Fünf-Satz-Matches der wichtigsten Championate zum Titel durchgeschlagen. Und mitunter haben sie sich mithilfe eines cleveren Zeitmanagements auch nötige Erholungspausen im dicht getakteten Turnierkalender verschafft.

Nadal bestritt 2018 nur neun Turniere, Murray sogar nur zwölf Spiele

So gönnte sich Roger Federer, mittlerweile 37 Jahre alt und Titelverteidiger in Melbourne, Mitte der vergangenen Saison eine Auszeit von drei Monaten, von Ende März bis Mitte Juni. Also in jener Phase, als sich die Konkurrenz durch die Sandplätze von Monte Carlo, Madrid, Rom und Paris wühlte. Der immer wieder von Knieproblemen geplagte Nadal indes konnte 2018 aus gesundheitlichen Gründen überhaupt nur an neun Turnieren teilnehmen - gewann aber zum elften Mal die French Open. Murray wiederum trat zuletzt kaum noch in Erscheinung; die Hüftoperation, der er sich im vorigen Januar in Australien unterzog, erlaubte ihm im Jahresverlauf überhaupt nur noch zwölf Spiele.

So gilt nun vorerst das Wimbledonturnier 2017 als jener Wettbewerb, bei dem die Großen Vier das letzte Mal als vollständiges Quartett auftraten. Gemeinsam hatten die Ältesten der Setzliste dort die Schlagzeilen bestimmt. Federer, indem er sich mit Titel Nummer acht zum Rekordsieger der Männer im All England Club krönte; Murray und Djokovic, weil sie schmerzgeplagt mit jenen Verletzungen abtraten, die sie anschließend zu monatelangen Pausen und unters Messer zwangen.

Es ist selbstverständlich auch in Melbourne möglich, dass einer von ihnen am Ende der zwei Wochen triumphiert. Aber wie sagte Nadal am Samstag? "Wir sind alle nicht mehr zwanzig." Müde Knochen sind die Vorboten der Vergänglichkeit: Der Zeitpunkt naht, an dem man zurückblicken wird auf diese Phase des Tennissports und erkennen wird, dass es eine goldene Ära war. Wahrscheinlich kommt er bald.

© SZ vom 13.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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