Kommentar:Verdacht auf Nutzlosigkeit

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Erst Supercup, dann Testspiele: Die Unterbrechungen der Liga stoßen auf Kritik - auch wenn der DFB die Einnahmen braucht.

Von Philipp Selldorf

Ob der Fußball das Publikum überfordert, indem er ein Spiel nach dem anderen veranstaltet, darüber muss das Publikum entscheiden. Als in der vorigen Woche nach dem internationalen Supercup der nationale Supercup folgte, da schien der Fall klar zu sein: Braucht kein Mensch, so hieß es überall, dass mitten in der Saison der FC Bayern und Borussia Dortmund ein Spiel aus der Vorbereitungszeit aufführen. Aber es haben dann acht Millionen Deutsche vor dem Fernseher gesessen.

Auch den Test der Nationalelf gegen die Türkei, der am Mittwoch als Vorspiel zu den unmittelbar folgenden Nations-League-Partien ansteht, erklärten berufene Leute für überflüssig. Einer dieser Kritiker ist Joachim Löw. "Dass man da noch zwei Länderspiele reinlegt, macht aus sportlicher Sicht wenig Sinn", beschwerte sich Anfang September der Bundestrainer über einen Veranstalter, der zufälligerweise auch sein Arbeitgeber ist. Löw war nicht so ignorant, das Interesse des DFB zu übersehen ("man freut sich natürlich auch über die Einnahmen"), aber das hinderte ihn nicht daran, das Spiel schlecht zu reden. Inzwischen hat der DFB seinen Chefcoach darüber aufgeklärt, dass es hier ausnahmsweise nicht zuerst um seine sportlichen Vorlieben geht. Sondern um Verpflichtungen gegenüber Uefa und Vertragspartnern - und um viel Geld, das der Verband zum Lebensunterhalt benötigt. Die Begegnung mit der Türkei würde unter normalen Umständen um die zehn Millionen Euro erlösen, nun wird es - ohne Zuschauer im Stadion - weniger sein, aber immer noch ein Betrag, auf den der DFB nicht verzichten kann. Ohne die Testspiele gegen die Türkei und gegen Tschechien (im November) drohe "eine wirtschaftlich brutale Lage - selbst für uns beim DFB", sagt ein führender Funktionär der Organisation.

Ohne Testspiele droht dem DFB "eine wirtschaftlich brutale Lage"

Die Vertreter der Profivereine haben das womöglich verstanden. Die üblichen Vorbehalte der Manager gegen das herbstliche Länderspielprogramm bleiben aus, obwohl es sich um eine Form von Akkordarbeit handelt. Dahinter könnte die Einsicht stehen, dass der Fußball die Corona-Krise nur dann übersteht, wenn die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden. Die Uefa ist den Klubs und den Ligen entgegengekommen, indem sie ihnen im Frühjahr den Vorrang eingeräumt hat, nun wird gewissermaßen zurückgezahlt. Niemand weiß, ob die Geduld der Vereine auch bis ins kommende Frühjahr reichen wird, wenn beim nächsten Länder-Spieltag wieder drei Partien anstehen. Oder wenn die Uefa im Oktober 2021 die Finalrunde der Nations League veranstaltet. Garantiert wird diese Veranstaltung, zumal im Anschluss an die EM, unter Nutzlosigkeitsverdacht geraten. Die Uefa sieht es anders: Bei der Erstauflage des Mini-Turniers kamen rund 50 Millionen Euro zusammen. Dabei geht es nicht nur um Profitmaximierung: Mit diesen Einnahmen finanzieren die europäischen Verbände ihre Arbeit.

Dass die Zuschauer am überreichlichen Fernsehfußball erkranken, ist unwahrscheinlich. Aber die Fußballer selbst könnte es treffen, wenn sie unter Hochbelastung dreimal die Woche spielen. Dass ihnen nichts zustößt, dafür müssen Experten wie Joachim Löw sorgen.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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