Kommentar:Söhne Berlins

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Hertha BSC steht gut da. Auch dank Typen wie Vedad Ibisevic. (Foto: dpa)

Hertha BSC hat nach mehreren fehlgeschlagenen Marketing-Konzepten ein neues, überraschendes Erfolgsrezept gefunden: Der Hauptstadtverein hat wieder angefangen, über Fußball zu sprechen. Die Jugendarbeit gilt als führend im Land.

Von Christof Kneer

Frank Zander - und das spricht sehr für ihn - stammt aus einer Zeit, in der man noch Platten verkaufte. Es war die sogenannte gute, alte Zeit, in der er seine größten Erfolge feierte, und das, obwohl kein Mensch seine Hits bei Spotify herunterlud. Kenner der Musikszene sagen, das liege daran, dass Spotify noch nicht erfunden war, und vermutlich aus demselben Grund musste Zander damals auch keine Fans generieren. Er hatte sie halt einfach. Das Wort "generieren" war damals ebenfalls noch nicht erfunden, und wenn es versehentlich einer erfunden hätte in irgendeiner Hertha-Kneipe im juten, alten West-Berlin, dann hätten sie vermutlich ein Herrengedeck oder ein paar Buletten nach ihm geworfen.

Das Gute an der Geschichte ist, dass sie ausschließlich von Fußball handelt

Ist Hertha BSC hip? Diese Frage haben sie sich in Berlin zuletzt ein bisschen zu oft gestellt, nicht in den Eckkneipen selbstverständlich, aber in den Büros, in denen Images hergestellt (= generiert) werden. Mit Slogans wie "We try, we fail, we win" sollte die hippe Berliner Gründerszene für den örtlichen Fußballklub begeistert werden, was am Ende nur dazu führte, dass die Stammkundschaft vom Glauben abfiel und der Gründerszene die Hertha trotzdem wurscht war. Und am Anfang dieser Saison hat sich die Stammkundschaft dann sogar sehr lautstark gewehrt, als Frank Zanders legendäre Einlaufhymne "Nur nach Hause (geh'n wir nicht)" vorübergehend durch den Song "Dickes B" von Seeed ersetzt wurde. Inzwischen singt Frank Zander wieder.

Das hätte man auch nicht gedacht, dass sich mit der ollen Tante Hertha mal eine wirklich gute Geschichte erzählen lassen würde. Und das Gute an der Geschichte ist ja weniger, dass die Hertha gerade den zweiten Platz in der Tabelle belegt und am Freitag den FC Bayern möglicherweise zu einer Art Spitzenspiel empfängt. Das Gute ist, dass diese Geschichte ausschließlich von Fußball handelt. Der Fußball ist dabei, sich in der hippen Gründerszenenstadt sein Recht zurückzuerobern, und all die bestimmt sehr schlauen Generierer von Imagekampagnen können sich diese Erkenntnis bei Spotify oder sonstwo runterladen: Das beste Image ist immer noch das, das man sich auf dem Fußballplatz erwirbt. Und man muss Fans auch nicht generieren. Es reicht, wenn man sie unterhält und vielleicht mal ein bisschen begeistert.

Ausgerechnet die Hertha, die das kälteste Stadion der Welt unterhält und sich von einem US-Finanzinvestor aushalten lässt, sendet aus der Hauptstadt endlich mal ein Signal, das gerne stilbildend werden darf: Zu den guten, alten Frank-Zander-Werten kommt ein zeitgenössischer, geradezu hipper Fußball, der nicht mal Zufall, sondern offenkundig pure Absicht ist. Die Verantwortlichen haben die Mannschaft planvoll dynamisiert und verjüngt, stellvertretend zu erkennen am 19-jährigen Arne Maier, dem sie den Platz im defensiven Mittelfeldzentrum extra freigehalten haben. Die Söhne Berlins drängen inzwischen mit Macht ins Team, und Maier ist nur der Beste aus einem knappen Dutzend an Talenten, die es aus der hauseigenen Nachwuchsakademie bereits ins engere Umfeld des Profikaders geschafft haben. Herthas Jugendarbeit gilt im Moment als die führende im Land, und das könnte doch ein wunderbares Image sein, für das man nicht mal einen Slogan generieren muss.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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