Kommentar:Romantik statt Bunga-Bunga

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Silvio Berlusconi, 82, wird plötzlich sentimental und kauft den Drittligisten Monza. Es soll mehr sein als ein Hobby für den Lebensabend.

Von Birgit Schönau

Weder seine Anhänger noch seine Gegner sind jemals auf die Idee gekommen, Silvio Berlusconi romantische Neigungen zu unterstellen. Von seinen beiden Ex-Ehefrauen ganz zu schweigen. Die vorerst letzte Signora Berlusconi klagte einst öffentlich, ihr damals noch amtierender Gatte lasse sich wie ein alter Drache die Jungfrauen zum Bunga-Bunga zuführen. Hinter diesem harmlos-exotisch klingenden Begriff verbarg sich ein Party-Ritual, bei dem junge Frauen zahlenden, alten Männern zu Willen waren - allen voran Berlusconi selbst. In seltener Unverfrorenheit wurde der von seinem Anwalt als "Endverbraucher" bezeichnet, was genauso unromantisch klingt, wie es gemeint war.

Inzwischen lebt der frühere italienische Regierungschef und immer noch größte Medienunternehmer des Landes zurückgezogen mit seiner knapp 50 Jahre jüngeren Dauerverlobten sowie ein paar Hunden. Aus dem Parlament wurde er als vorbestrafter Steuerbetrüger ausgesperrt - und seitdem Berlusconi den AC Mailand an einen windigen Unternehmer aus China verkauft hat, sieht man ihn auch nicht mehr im Stadion. Erst recht nicht, nachdem der Chinese den Klub an den Hedgefonds Elliott abtreten musste. Milan ist zum Spekulationsobjekt verkommen, seitdem Berlusconi als Endkassierer 700 Millionen Euro für seinen angeblichen Herzensklub eingestrichen hat.

Doch jetzt, mit 82, wird der knallharte Macho auf einmal sentimental. Nicht bei Frauen, so weit kommt's noch. Sondern bei jenem Zeitvertreib, der bekanntlich auch solche Männer in Wallung bringen kann, die anstelle des Herzens einen Eisbeutel in der Brust tragen, oder eine Registrierkasse. Berlusconi folge einer romantischen Idee, behaupten seine Vertrauten. Es treibe ihn nur die pure Nostalgie: die reine Sehnsucht nach dem Fußball. Nur das sei der Grund dafür, dass er völlig überraschend den Drittligisten Società Sportiva Monza kauft. Zum Spottpreis von 2,9 Millionen Euro. 2,5 Millionen sollen sofort gezahlt werden, der Rest im Frühjahr 2019.

Silvio Berlusconi in der dritten Liga! Vom Weltpokal in die lombardische Provinz, wo anstatt Barcelona und dem FC Liverpool Virtus Verona und die Sambenedettese warten! "In zwei Jahren spielen wir das Derby gegen Milan in der Serie A", versichert Adriano Galliani, der drei Jahrzehnte Berlusconis Manager beim AC Mailand war, und nun, mit 74, ebenfalls zu seiner "alten Liebe" Monza zurückkehrt. Zwei ältere Herren fangen noch mal von vorn an und retten einen von der Pleite bedrohten Traditionsklub ihrer Heimat. Wie rührend. Selbstlos, wie es nun mal seine Art ist, überlässt Berlusconi das Präsidentenamt dem bisherigen Eigner Nicola Colomba. Er will einfach nur Gutes tun, das Rampenlicht braucht er nicht mehr. Oder doch? Zumindest in Monza ist er der Held des Tages. Und vielleicht kandidiert er ja auch dort - für die Europawahl.

Böse Zungen in Italien lästern, Berlusconis älteste Tochter Marina, die sich als Fininvest-Chefin ihren Spitznamen "Zarin" hart verdient hat, habe dem Papà ein wenig Taschengeld gewährt, damit er sich mit dem neuen Fußballklub eine Freude machen konnte. Als nettes Hobby für den Lebensabend. Das Stadion ist nur sieben Kilometer von Berlusconis Residenz in Arcore entfernt, genau richtig für einen gemütlichen Ausflug am Sonntagnachmittag. Sic transit gloria mundi, könnte man glauben: In der dritten Liga verblasst der Glanz der großen Fußballwelt. Doch der Patriarch glaubt fest daran, dass es jetzt erst richtig losgeht. Alle Zeichen stehen auf Aufstieg. Und in der Cäsarenloge ist ein Platz für den Freund Wladimir Putin reserviert. Der hat zur Operation Nostalgie nämlich als Erster gratuliert.

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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