Kommentar:Provokateurinnen

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Fußball ist hierzulande noch immer eine Männerwelt. Die Frauen-WM in Frankreich bietet Anlass, das zu ändern. Auch im Funktionärswesen des DFB.

Von Barbara Klimke

Kurz vor dem Fußball-Bundesligafinale war die Zeit reif für eine kleine Provokation. Bei den Männer-Erstligisten, so befand die Bundestrainerin, sollten endlich auch Frauen die Verantwortung in der Coaching-Zone übernehmen. Die Spieler, davon ist Martina Voss-Tecklenburg überzeugt, seien längst bereit für Trainerinnen an der Taktiktafel. Mögliche Akzeptanzprobleme im professionellen Umfeld bereiten der DFB-Cheftrainerin keine Sorge. Das Einzige, was für Vierer, Sechser, echte und falsche Neuner zähle, ob männlich oder weiblich, glaubt die Expertin, sei die Trainingsqualität.

Es ist eine These, die zur Beweisführung dringend eines Praxistests bedarf. Derzeit jedoch ist gerade einmal ein einsamer Feldversuch tief im Westen in der vierten Liga angelaufen. Beim SV Straelen versucht die frühere Europameisterin Inka Grings, die Männermannschaft vor dem Abstieg zu bewahren. So lange keine weiteren Frauen an der Seitenlinie gesichtet werden, ist als vorläufiges Ergebnis festzuhalten, dass zumindest ähnlich gelagerte Experimente im Rasen-Biotop durchaus erfolgreich verlaufen sind: So hat sich die Fußball-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus nach zwei Jahren durchgesetzt, trotz der anfänglichen Scherze der leicht verunsicherten Erstliga-Männerwelt - als der Bayern-Profi Franck Ribéry bei Steinhaus' Premiere heimlich deren Schnürsenkel aufzog, lächelte diese über derlei Kindereien souverän hinweg. Ohnehin wird sich in den kommenden Wochen bis Anfang Juli eine ganz andere Frage stellen: nämlich in welchem Maß die Akzeptanz für Frauen mit dem Ball am Fuß hierzulande generell gewachsen ist.

Denn Bundestrainerin Voss-Tecklenburg hatte ihren Befund zur gleichhohen Qualität der Trainer- und Trainerinnenausbildung im DFB kaum zufällig zu jenem Zeitpunkt vorgelegt, in der auch die letzte Vorbereitungsphase für die WM der Frauen in Frankreich (7. Juni bis 7. Juli) beginnt. Der Subtext der Botschaft lautet, dass Frauenfußball, sportlich gesehen, in jeder Hinsicht mit dem Spiel der Männer mithalten kann, zumal beim zweimaligen Weltmeister Deutschland. Was den Zuspruch betrifft, dürfte dem DFB allerdings kaum entgangen sein, dass die Wertschätzung für Frauenfußball in anderen Ländern in jüngster Zeit sprunghaft zugelegt hat. In Spanien und England sorgen die Traditionsklub mit der Macht ihrer Marketingmaschinerie für volle Stadien bei ausgewählten Spielen der Frauenabteilungen. Während etwa die englische Women's Super League einen Boom erlebt, droht die Frauen-Bundesliga wirtschaftlich zu stagnieren.

Das wirft eine weitere Frage auf: Ob es nicht auch im DFB an der Zeit ist, dass Frauen die Verantwortung übernehmen. Für das nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel vakante Präsidentenamt hat sich auch Ute Groth, Vorsitzende des Amateurvereins TuSA 06 Düsseldorf, beworben. Sie will mehr Wertschätzung und finanzielle Unterstützung des Ehrenamts - und wirbt dafür, die üblichen Auswahlreflexe im Funktionärsklüngel bei der Präsidentenkür zu überdenken. Dass sie gewählt wird, glaubt sie nicht. Aber sie wolle "ein bisschen provozieren". Der nächste Ansatz, um die Männerwelt aufzurütteln.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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