Kommentar:Prinzip auf dem Platz

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Von Christian Zaschke

Der preußische Offizier Carl von Clausewitz (1780-1831) schrieb über den Krieg: "Haben beide Teile sich zum Kampf gerüstet, so muss ein feindseliges Prinzip sie dazu vermocht haben; solange sie nun gerüstet bleiben, das heißt nicht Frieden schließen, muss dieses Prinzip vorhanden sein, und es kann bei jedem der beiden Gegner nur unter einer einzigen Bedingung ruhen, nämlich: einen günstigeren Zeitpunkt des Handelns abwarten zu wollen."

Hans Zehetmair, Vizepräsident des TSV 1860 München, hat mit seiner Attacke innerhalb des Vereins lange gewartet. Er suchte jenen günstigen Zeitpunkt des Handelns, und die Frage ist, ob er ihn nun gefunden hat.

Verloren, verletzt, verzweifelt

Die fachlichen Argumente der Opposition, auf die Zehetmair sich stützt, sind klar. Es besteht seit dem Rücktritt des ehemaligen Präsidenten Wildmoser ein Machtvakuum im Verein. Mittels einer Strukturveränderung soll dieses gefüllt werden, durch die Installation eines sportlich kompetenten Geschäftsführers.

Dagegen wehren sich Präsident Karl Auer und die Angestellten des Vereins, weil sie alle weniger Macht hätten, manche müssten wohl gehen. Durch eine solche Strukturveränderung soll der Klub handlungsfähig werden, wie die Opposition argumentiert.

Zugleich ist zu sehen: Der TSV 1860 steckt im Abstiegskampf, die Mannschaft leidet unter einer Formkrise, Abwehrspieler verletzen sich, die Konkurrenz gewinnt, der Abstand zum 16. Platz schrumpft. Ein Verein in dieser Lage braucht Ruhe und keinen Machtkampf, der den Klub zu spalten droht.

Das feindselige Prinzip

Der von Zehetmair gewählte Zeitpunkt des Handelns entspringt eher der Verzweiflung. Das von Clausewitz so bezeichnete "feindselige Prinzip" ist so bestimmt geworden, dass sich der Vizepräsident zum Handeln entschlossen hat, ohne Rücksicht auf Verluste, wie man wohl sagen muss. Es ist nun die paradoxe Situation entstanden, dass die Opposition auf eine Niederlage des Klubs gegen Hamburg hoffen muss, damit ihre Offensive nicht verpufft.

Dieser Machtkampf wird also nicht durch strategisches Kalkül entschieden, durch die bessere Taktik, sondern so banal, wie das im Fußball eben ist: auf dem Platz. Interessanterweise gelten dort die Sätze des Carl von Clausewitz mindestens ebenso sehr wie im Kampf um die Macht.

© SZ vom 15.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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