Kommentar:Ohne Spielraum

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Heute hält sich Pokerspieler Max Kruse für einen der Cleversten im Lande. Er war verwarnt, er hätte wissen müssen, dass Rot folgen kann.

Von Klaus Hoeltzenbein

Joachim Löw hat sich für die weniger elegante Lösung entschieden. Er hätte Max Kruse ja auch einfach im Aufgebot für die Tests an Ostern gegen England und Italien belassen und ihn wegen des mit 27 Profis ohnehin überbordenden Kaders auf der Ersatzbank festschnallen können. Er hätte ihn erst im Mai, anstatt schon im März rauswerfen können. Stiller, leiser, indem er es sport-fachlich begründet. Denn der Kader, der im Mai folgt, wird schon der für die Europameisterschaft sein.

Mancher wird jetzt sagen, Löw habe ein Exempel statuiert an einem, den er in Frankreich eh nicht in der Startreihe sah. Und der auf seiner Geburtstagsfeier in einer Berliner Disco in eine Handy-Falle tappte. Jedoch hat dieser Rauswurf eine Vorgeschichte, genauer genommen zwei. Eine jüngere, auf die Löw in seiner DFB-Erklärung selbst hinwies: Nach Bekanntwerden der Taxi-Affäre, als Kruse in einer Berliner Nacht und vor dem Wolfsburger Morgentraining 75 000 Euro auf einer Rückbank liegen ließ, habe er den Stürmer bereits ermahnt. Und eine ältere, die Löw verschwieg: Schon 2014 hieß es, es seien disziplinarische Gründe gewesen, die den Stürmer die WM-Reise nach Brasilien kosteten. Welche genau, blieb Betriebsgeheimnis. Es geht also nicht um den Einzelfall, es geht um eine Summe von Vorfällen. Und wenn dann selbst der direkte Vorsitzende, Wolfsburgs Manager Klaus Allofs, an der Berufseinstellung des Arbeitnehmers zweifelt ("Er muss sein Verhalten ändern"), gibt es für einen Bundestrainer nicht mehr viel Spielraum.

Es ist aber wohl doch etwas zu viel der Ehre, dass ein 14-maliger Nationalspieler jetzt in der Galerie der DFB-Rauswürfe in prominenter Reihe steht: mit Uli Stein, Harald Schumacher, Stefan Effenberg, Lothar Matthäus, Mario Basler oder Christian Wörns. Matthäus (von Vogts), Basler (von Ribbeck) und Wörns (von Klinsmann) wurden erst gegen Ende ihrer höchst auffälligen Karrieren robust ausgemustert. Stein wiederum nannte den Teamchef Beckenbauer bei der WM 1986 einen "Suppenkasper" und das Team eine "Gurkentruppe", derweil Effenberg bei der WM 1994 pfeifenden Fans den Mittelfinger zeigte. Historisch vergleichbar ist der Fall Kruse allenfalls mit dem Fall Schumacher - damals wie heute passierte irgendwas mit Medien. Schumacher schrieb allerdings ein dickes Buch ("Anpfiff"), er schrieb über Mitspieler und Doping-Praktiken. Bei Kruse genügte ein Handy samt Fotos.

Löw war in seinen neun Bundestrainer-Jahren nie ein Rauswerfer. Wen er nicht wollte, den hat er nicht mehr berufen. Nur einmal, als die Macht der Bilder zu stark war, als der auf die Tribüne verbannte Kevin Kuranyi zur Länderspiel-Pause das Stadion verließ, zog er Konsequenzen. Heute hält sich Kruse, ein guter Pokerspieler, für einen der Cleversten im Lande. Er war verwarnt, er hätte wissen müssen, dass Rot folgen kann.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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