Kommentar:Mit russischem Pass

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Nach seiner Verhaftung deutet sich an, wie dreist sich Rio-Olympia-Chef Carlos Nuzman an den Spielen bereichert hatte. Das Internationale Olympische Komitee wiederum agiert auch in dieser Affäre des Sports konsequenterweise unglaubwürdig.

Von Thomas Kistner

Es sieht nicht gut aus für Carlos Nuzman. Dem Chef der Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro wird Geldwäsche, Korruption und Stimmen-Kauf angelastet; Brasiliens Justiz hat seine vorläufige Haft nun auf unbestimmte Zeit verlängert. Auch die Aussichten, auf Kaution frei zu kommen, sind mau für das langjährige Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die Bundespolizei fand heraus, dass mit Nuzmans olympischen Funktionen ein Vermögensanstieg einher ging, der sich diametral verhält zur ruinösen Verfassung des nationalen Sports und der städtischen Finanzen. Allein dieses Jahr wurde er um 1,4 Millionen Dollar reicher, von denen dummerweise 1,2 Millionen aus dem Steuerparadies der Britischen Jungferninseln flossen. Das nährt den Verdacht der Ermittler, dass Nuzman Teilnehmer an einem organisierten Verbrechen sei - und den auf Fluchtgefahr.

Das IOC tut so, als kläre es auf, agiert aber unglaubwürdig

Klar, er will das alles aufklären. Nuzman, bisher auch Chef des nationalen Olympiakomitees, beklagt einen monströsen Irrtum, obwohl Geldtransfers, Mails und Zeugen ein klares Bild zeichnen. Bis zuletzt gestützt hat ihn nur: das IOC. Obwohl ihm im Zuge zahlreicher Razzien schon vor Wochen seine Ausweise abgeknöpft worden waren; darunter, hoppla, ein russischer Pass! Erst, als die Gitter zugeschnappt waren, rang sich das IOC zu einer Suspendierung durch.

Dabei legen die Strafermittlungen zu den Spiele-Vergaben an Rio 2016 und Tokio 2020 schon jetzt nahe: Die Affäre beginnt erst, ihre Dimension dürfte gewaltig sein; das IOC kann schon mal ein Ständiges Suspendierungskomitee einrichten. Derlei ist aber nicht zu erwarten von einem Gremium, dessen Glaubwürdigkeit auf Augenhöhe des Fußball-Weltverbandes Fifa dümpelt. Um beide Bruderschaften des Sports laufen internationale Strafermittlungen, und das FBI, das die Fifa so gnadenlos zerfleddert, schaut nun interessiert auf den Ringe-Konzern.

Da irritiert zunehmend, wie konsequent unglaubwürdig das IOC agiert. Das beginnt beim Umgang mit Russlands Doping-Staatsaffäre: Für die Winterspiele 2018 in Pyeongchang darf man Blanko-Tickets für alle relevanten Athleten Moskaus erwarten. Und es gipfelt in der gusseisernen Loyalität zu eigenen Spitzenleuten, die Stress mit der Strafjustiz haben. Sei es Ahmad al-Sabah, Chef der IOC-Entwicklungshilfe, den das FBI im Visier hat, sei es der langjährige IOC-Vorstand Patrick Hickey, der erst ein Jahr, nachdem er in Rio für Wochen inhaftiert worden war, den Rückzug verkündete. Das IOC schaut zu, als seien an seine Sachwalter, die einen Eid auf ihre Charta schwören und die Jugend erziehen wollen, keine höheren ethischen Anforderungen zu stellen als an Straßenkriminelle.

Nun der Fall Nuzman. Auch der führt tief ins olympische Innenleben. In Kürze vernehmen die Ermittler Nuzmans langjährige rechte Hand: Bernard Rajzman, Volleyballer wie Nuzman und dessen Nachfolger im IOC. 2013 wurde Rajzman berufen (und Nuzman Ehrenmitglied).

Eine Menge wird passieren, und das IOC nicht länger so tun können, als täte es alles für die Aufklärung. Was kommt, zeigen schon die Fragen, die nun die Justiz hat. Wie kam Nuzman zu einem russischen Pass: Bekam er den etwa für ein Votum für die Sotschi-Spiele 2014? Und wie erklären Japans Spiele-Betreiber 2020 den Ermittlern, dass sie zwar (wie Nuzman und Co. für Rio) Millionen an die Firma desselben afrikanischen Stimmenhändlers zahlten - dass aber in ihrem Fall alles korrekt gelaufen sein soll?

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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