Kommentar:Mächtig in Bewegung

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Hängengeblieben in der Vorrunde: Die Franzosen um Nikola Karabatic (li.). (Foto: Robert Michael/dpa)

Dank des neuen Formats ist diese Handball-EM attraktiv. Nur die vielen Flüge zwischen drei Ländern sind ein Ärgernis - für Spieler und Umwelt.

Von Joachim Mölter

An diesem Donnerstag begeben sich die übriggebliebenen Teams auf die letzte Etappe dieser Handball-EM, zur Finalrunde in Stockholm. Einige der sechs noch im Wettbewerb befindlichen Teams hat die Reise durch drei Länder geführt, Halbfinalist Spanien und die für das Spiel um Platz fünf nominierten Deutschen zum Beispiel mussten die harte Tour über Norwegen und Österreich in die schwedische Hauptstadt zurücklegen. Die Vielfliegerei, verbunden mit den Reisestrapazen für die Spieler und der Belastung für die Umwelt, war der Hauptkritikpunkt bei der erstmals in drei Ländern ausgetragenen EM.

Mal abgesehen von der CO2-Bilanz fällt das Resümee über die reformierte EM aber eindeutig positiv aus. Der europäische Verband EHF hat die Teilnehmerzahl von 16 auf 24 aufgestockt, dazu den Modus ein wenig geändert, und tatsächlich ist das erhoffte Ergebnis eingetreten: In die in Ehren erstarrte europäische Handball-Hierarchie ist mächtig Bewegung gekommen.

Es reicht nicht mehr, mit halber Kraft ins Turnier zu starten

Einige Großmächte wie Dänemark, der aktuelle Olympiasieger und Weltmeister, oder Frankreich, der Rekord-Weltmeister, sind bereits nach der ersten Etappe auf der Strecke geblieben. Speziell in Dänemark haderten sie nach dem Vorrunden-Aus mit dem neuen Modus. In der alten 16-Team-Variante hatte es vier Vorrundengruppen mit je vier Teams gegeben; die ersten drei kamen weiter in die Hauptrunde und nahmen die Punkte mit, die sie gegen die ebenfalls vorrückenden Rivalen errungen hatten. In der 24er-Form hat sich an der zweiten Turnierphase nichts geändert, weiter ermitteln zwölf Teams in zwei Sechser-Gruppen die Halbfinalisten. Das bedeutet aber: Aus den nun sechs Vorrundengruppen kommen nur noch je zwei Teams weiter.

Früher hätten es sowohl die Dänen als auch die Franzosen als Gruppendritte noch in die nächste Runde geschafft. Nun reicht es offensichtlich nicht mehr, mit halber Kraft ins Turnier zu starten; wer nicht Gefahr laufen will, ins Stolpern zu geraten, muss seine Leistung von Anfang an hochfahren. Das wertet die Vorrunde beträchtlich auf. Das hatten offensichtlich auch die ebenfalls hochgehandelten Co-Gastgeber Schweden unterschätzt. Die EM-Zweiten von 2018 hatten in der Vorrunde gegen Slowenien verloren, was sich im weiteren Verlauf als verhängnisvoll erwies. Weil nicht mehr die Punkte aus zwei Partien in die Hauptrunde mitgenommen werden, sondern nur noch das Ergebnis aus einer Begegnung, avanciert diese bereits zu einem wegweisenden Schlüsselspiel: Wer keine Punkte aus der Vorrunde mitnimmt, hat es schwer, das Halbfinale zu erreichen. In dem stehen jedenfalls nur Teams, die die Vorrunde unbesiegt überstanden haben.

Durch die Erweiterung der EM hat es nicht einfach nur mehr Teilnehmer gegeben, sondern auch mehr Überraschungen. Favoriten sind schneller aus dem Rennen, als sie denken, Außenseiter wie Ungarn, Österreich oder vor allem Portugal mischen die Szene auf. Fürs erste hat sich die EM-Reform schon mal ausgezahlt. Und die Reiserei wird künftig auch weniger: 2022 richten die Nachbarländer Ungarn und Slowakei das Turnier aus.

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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