Kommentar:Laborchef im Zwielicht

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Das Anti-Doping-Labor in Lausanne war noch nie ein echter Vorkämpfer gegen Sportbetrug. Nun tritt zutage, dass Laborchef Saugy während der dopingverseuchten Spiele in Sotschi als russischer Berater bezahlt wurde.

Von Thomas Kistner

Schatten des Doping-Betrugs liegen auf fast allen Sparten des Sports. Auch der Fußball ist da keine Ausnahme; er kontrolliert sich selbst in einem hermetischen System. Tests finden alibihaft zu festen Terminen statt, intelligente Zielkontrollen kennt der Fußball nicht. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen die Dopingbekämpfer - die Welt-Anti- Doping-Agentur Wada, ihre Fahnder und die akkreditierten Labore. Und unter diesen Laboren ist seit jeher eines primus inter pares: jenes in Lausanne.

Jenes im Zentrum der olympischen und nahe an der Fußball-Familie. Lausanne ist der Troubleshooter der Dachverbände. Olympische Proben, die für Nachtests acht Jahre lang aufbewahrt werden? Lagern in Lausanne. Der Fußball-Weltverband lässt dort seine Reihentests vor WM-Turnieren untersuchen, und als bei der WM 2014 in Brasilien das Labor in Rio geschlossen war, schickte die Fifa ihre Proben nicht in ein Nachbarland: Sie mussten um die halbe Welt nach Lausanne geflogen werden. Hätte es Positivfälle gegeben, hätten allein die Zeitabläufe den Spielplan über den Haufen geworfen. (Aber klar: Es gab ja kein Doping bei der WM.) Und als in der schmutzigen Lance-Armstrong-Ära die Analytiker im Pariser Labor die Tour de France von Skandal zu Skandal trieben? Verlagerte die Radsportwelt das Prozedere kurzerhand nach Lausanne.

Warum kommen die Besten stets unbeschadet durch Tests?

Nun rückt in den Fokus, dass der von 2002 bis 2016 als Laborchef tätige Martial Saugy bezahlte Beraterjobs hatte, für die Fifa und für Russlands Sportministerium - während der dopingverseuchten Sotschi-Spiele 2014. Bekannt wurde Letzteres nur durch Ermittlungsberichte zum Russland-Doping; auch die Fifa-Tätigkeit war nie als bezahlte Dienstleistung bekannt. Schon das verrät, dass die Beteiligten die Idee wohl selbst nicht so toll finden, den Cheffahnder des Sports zugleich als Fachberater für die andere Seite anzuheuern: für Verbände wie die Fifa, deren Anti-Doping-System eine Art Exorzismus ist, und für Ministerien wie das in Moskau, das tief in der Pharma- Affäre steckt. Das macht den Fall Saugy (den der Sport noch gar nicht als solchen erkannt hat) zur Büchse der Pandora.

Und das zeigt nun auch die Causa um den früheren Bora-Radprofi Ralf Matzka. Auch hier stützt sich der Weltverband UCI unter anderem auf die Expertise Saugys. Wäre es da kein Ansatz für Matzkas Verteidiger, die Validität dieses Sachverständigen in Frage zu stellen?

Saugys Tätigkeit über zwei Dekaden (inklusive einer absurden Aufklärungsstunde zur Blutdoping-Analytik 2001, die er dem US-Topdoper Armstrong gab), gehören untersucht. Das verlangt die Glaubwürdigkeit: Es geht um einen der wichtigsten Fahnder einer Sportindustrie, in der just die Besten stets unbeschadet durch alle Tests kommen. Legt man die Laborstatistik zugrunde, wird die Integrität des Sports vor allem von Sportschützen aus Vietnam oder indischen Gewichtheberinnen bedroht. Fliegen ganze Länder wie Russland auf, ist das nicht Saugy & Co. zu verdanken, sondern journalistischen Recherchen. Höchste Zeit, auch dieser Merkwürdigkeit auf den Grund zu gehen. Der Fall Saugy wäre ein Anfang.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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