Kommentar:Kampf der Systeme

Lesezeit: 2 min

Wenn die Erneuerung des Deutschen Fußball-Bundes ansteht, darf die Basis ruhig mitreden. Der Profibereich hat gezeigt, was er nicht kann.

Von Thomas Kistner

Auch wenn es der Solidaritätsrhetorik im Fußball widerspricht: Blockbildung gab es stets, und nun verhärten sich die Fronten. Das Lager um die Profivereine stieß mit heftigen Reformforderungen ins Führungsvakuum an der DFB-Spitze. Die Amateure werteten dies als feindlichen Übernahmeversuch und haben nun mit einem Vorschlag fürs Spitzenamt reagiert, Reinhard Grindel.

Jede Lösung liegt zwischen den Argumentationslinien. Dass der Sport, dessen Dachgremien von Fußball (Fifa) bis Leichtathletik (IAAF) weltweit Staatsanwälte beschäftigen, der Kernsanierung bedarf, liegt auf der Hand. Und damit die Notwendigkeit neuer Strukturen: Punkt fürs Profilager. Für jede Strukturverbesserung ist aber Kontrolle entscheidend - externe Kontrolle, unabhängig vom Sport. Damit punktet das Amateurlager.

Sieht man die aktuelle Schieflage des DFB, wirkt manche Attacke aus dem Profilager dreist. Konkret liegt hier kein Strukturproblem vor, Vertreter der Profikonfession haben das Desaster verursacht: Die Namhaftesten von Beckenbauer bis Niersbach reichten, als Elitetrupp des deutschen Fußballs an allen Regeln vorbei, Millionen aus dem WM-Budget für obskure Zwecke aus. Auch, dass dies passieren konnte, stärkt die Vorbehalte der Amateure: Die beste Kontrolle nutzt ja nichts, wenn sie von denen umgangen wird, die höchste Ämter halten.

Nicht nur auf Strukturen, auf Personen kommt es an. Der Fußball bildet die Wildwest-Abteilung des globalen Geschäftslebens. Unangetastet blieb er bisher trotzdem, weil er zugleich ja der Liebling des globalen Gesellschaftslebens ist. So gewährt die Außenwelt dieser Unterhaltungsindustrie eine Autonomie, die es sonst nirgendwo gibt. Und die Impresarios dieses Sports dirigieren nach Gusto ihre Milliarden-Ströme. Sie bezeichnen sich als Fußballfamilie oder olympische Familie, und so agieren sie. Wie tief der Familiengedanke den Betrieb durchdringt, ist heute evident. Trotzdem wird dieses Wissen weggewischt, sobald es um die attraktive Seite des Geschäfts geht. Das aktuelle Beispiel, weg vom Fußball: Hamburg wirbt um Olympia. Dass aber das IOC nicht anders tickt als seine Fifa-Brüder, belegt der Umgang mit Russlands Systemdopern in der Leichtathletik. Gern sperrt das IOC kleine Verbände; stellt aber ein Koloss wie Russland eine Betrugsmaschine auf, kann das IOC, alleiniger Herr über die Spiele, leider nix machen - und baut auf die Kraft der Selbstheilung in Putins Sportreich.

Das Geschäft muss brummen, das ist die oberste Losung im Sportgewerbe. Wenn jetzt also eine Erneuerung ansteht im DFB, dessen Profizweig das Gros seiner Mittel in ständig steigende Gagen und Transfers steckt, schadet es nicht, wenn die Basis beim Strukturwandel mitredet. Der Profibereich hat oft genug gezeigt, was er alles nicht kann. Er darf sich jetzt nicht noch mehr der Kontrolle von dort entziehen, wo der Fußball herkommt. Fraglich ist aber, ob Grindel der Mann ist, der Profis und Amateure ausbalancieren kann. Kollege Koch hätte dank langer Erfahrung und qua Profession als Strafrichter Kompetenz und Integrität verbreitet, Quereinsteiger Grindel profitiert vorerst von den Umständen. Nicht, dass am Ende die Amateure den Profis zeigen, dass auch sie personell scheitern können.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: