Kommentar:Jenseits von Hoyzer

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Vor dem 22. Januar hätte man ein Endspiel zwischen zwei Großen wohl für langweilig gehalten, nun muss man fast dankbar sein.

Von Christof Kneer

Darf man einen Pokalkommentar schreiben, in dem nicht von den eigenen Gesetzen die Rede ist? Natürlich darf man das nicht, das Problem ist nur, dass niemand den vollständigen Gesetzestext kennt.

Als verbürgt gelten allenfalls Einzelgesetze; jenes etwa, wonach der Kleine unbedingt den Großen zu bezwingen hat. Über die Reinheit der Gesetze wachten tapfere Männer wie der Uerdinger Wolfgang Schäfer, der 1985, nach dem Finaltor gegen Bayern, seine Freundin aus dem Hotelbett ausquartierte und mit dem Pokal kuschelte.

Man hat die eigenen Gesetze immer lieb gehabt, aber seit dem 22. Januar 2005 weiß man mehr über sie, als einem lieb sein kann. An diesem Tag machte der DFB die Vorwürfe gegen einen Schiedsrichter namens Robert Hoyzer öffentlich, der in der Tat nach recht eigenen Gesetzen pfiff.

Wer an Hoyzer denkt, sieht seitdem einen gelb gekleideten Schiedsrichter vor sich, der von blau gekleideten Hamburgern umzingelt ist. Es ist das Bild dieses Wettskandals, es ist tausendmal gedruckt worden seitdem, weshalb das Pokalspiel zwischen Paderborn und dem HSV bis heute als Mutter aller Manipulationen gilt.

Die verlorene Unschuld

Der Pokal hat seine Unschuld verloren, weil er seitdem mit Fragen leben muss, die nie beantwortet werden: Hätte Paderborn den HSV auch ohne Hoyzer besiegt? Wie wohl gelost worden wäre, wenn der HSV gewonnen hätte?

Und was hält die Branche davon, dass nie zuvor ein Klub so lukrativ in der ersten Runde ausgeschieden ist wie der HSV, der mit zwei Millionen Euro abgefunden wurde?

Man muss diese Fragen noch mal stellen, jetzt, da das Fußballjahr mit dem Pokalfinale zwischen Bayern und Schalke seine Zuspitzung findet. Vor dem 22. Januar hätte man ein Endspiel zwischen zwei Großen wohl für langweilig gehalten, nun muss man fast dankbar sein.

Als wollten sie den Pokal rehabilitieren, haben sich zwei Teams ins Finale durchgespielt, an deren Qualifikation niemand zweifeln kann. Der Pokal ist unschuldig, er ist jenseits von Hoyzer angekommen - aber für den deutschen Fußball gilt das nicht.

Noch immer kennt keiner die Dimension dieses Skandals, keiner kennt die eigenen Gesetze, die etwa zum kuriosen Eigentor in Oberhausen führten.

Der Fußball wird am Samstag ein Pokalfest feiern, trotz Manipulationsskandal. Die Wettquoten für die Bayern stehen übrigens gut.

© SZ vom 28.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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