Kommentar:Ici, c'est Königsklasse!

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In der wegweisenden Partie gegen den FC Liverpool spielen die Stars von Paris unvermittelt taktisch wertvollen Trainerfußball.

Von Moritz Kielbassa

Zu den Modeerscheinungen des modernen Fußballs gehören knackige Klub-Slogans für Fans und Marketing. Bei PSG heißt dieses Motto, frei von falscher Bescheidenheit: "Ici, c'est Paris!" - das hier ist Paris! Am Mittwoch sah das so aus: In der Ehrenloge des Glamourvereins saß Leonardo DiCaprio, mit Freundin und novemberabendtypischer Sonnenbrille. Der Hollywoodstar wollte wohl miterleben, ob der Trainer Thomas Tuchel bereits eine Titanic-Nacht erlebt. Ein paar Reihen weiter legte Mick Jagger seine Rocklegendenstirn in Falten. Und auch Alain Prost war zu Gast im Prinzenpark, Ex-Weltmeister in einer Sportart, die der unterlegene Trainer Jürgen Klopp auch auf dem Rasen gesehen haben wollte: "Wenn die den Ball gewinnen, rasen die wie zwei Formel-1-Autos an dir vorbei", stöhnte der Liverpooler Coach.

Klopp meinte die flinken Pariser Goldfüßler Neymar und Mbappé, deren Transferwert höher ist als der Jahresumsatz fast aller Bundesligisten und deren Ehrgeiz ebenso riesig ist wie ihr Ego, demzufolge sie selbst jede Weltfußballer-Wahl gewinnen müssten, und zwar am besten monatlich. In einem so exquisiten Milieu zu arbeiten, ist ein Geschenk, aber auch eine mächtige Herausforderung für einen immer noch recht jungen deutschen Trainer mit hohem fachlichen Anspruch. Für Thomas Tuchel bot dieses so enorm wichtige 2:1 aber eine besondere Pointe. Zwar fielen die Tore seiner Elf nach durchgestylten Hochgeschwindigkeits-Angriffen, aber die eigentliche Erkenntnis des Abends war: Ici, c'est la défense! Paris kann auch verteidigen! Paris kann auch Coaching-Fußball und taktieren!

Sogar Neymar warf sich unverheult in Zweikämpfe

Liverpools Weltklassesturm kam zu keiner einzigen echten Torchance, der Elfmeter zum 1:2 rührte daher, dass der früher im Schneckentempo mitverteidigende Angreifer Di María im eigenen Strafraum grätschte. Sogar Neymar warf sich unverheult in Zweikämpfe. Die zentralen Defensivspieler Thiago Silva und Marquinhos inszenierten einmal eine Art Torjubel, nachdem sie Liverpools Superneuner Salah gemeinsam den Ball gestohlen hatten. Das 1:0 erzielte der Abwehrspieler Juan Bernat (Münchner Adelstitel: Don Scheißdreck). Und rechts verteidigte Thilo Kehrer, Zugang aus Schalke - in einer Sommertransferperiode, in der eigentlich Jérôme Boateng und Weltmeister Kanté als neue Defensivgrößen auf Tuchels Wunschzettel standen.

Und noch eine Pointe, die von Courage zeugte: Bereits nach 63 Minuten kam für den stolzbösen Stürmer Cavani der Hinterbänkler Choupo-Moting ins Spiel, von dem die Bundesliga gar nicht mehr wusste, dass es ihn noch gibt - und den Tuchel aus alten Mainzer Zeiten vor allem als Charakterkopf und Stabilisator des Kabinenklimas schätzt. Sogar Mbappé musste in der puren Kampfschlussphase der Pariser für Rabiot vom Platz. Es waren mutige, aber richtige Maßnahmen.

Die hohen Klubherren aus Katar werden Tuchel nicht danach bewerten, ob er mit 96 oder 103 Punkten französischer Meister wird. Gradmesser sind die Festspiele in Europa, bei denen PSG bisher nie in die Hautevolee der Top 8 vordrang. Gegen Liverpool hätte alles schon wieder früh vorbei sein können, jetzt aber ist das Achtelfinale nahe. Die große Trainerduell-Gruppe C liefert jedenfalls Krimi und Drama bis zum Schluss. Besteht Tuchel am letzten Spieltag auch in der "Hölle von Belgrad", dann braucht Jürgen Klopp einen deutlichen Sieg gegen Neapel und Carlo Ancelotti. Ici, c'est Champions League!

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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