Kommentar:Hummeln über Zuzenhausen

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Die Bundesliga hat nach dem Bremer Drohnen-Einsatz bei der TSG Hoffenheim ihren ersten offiziellen Agentenkrimi des digitalen Zeitalters.

Von Klaus Hoeltzenbein

Dass die Drohne zu einer Geißel der Menschheit hat werden können, war zur Wochenmitte gleich an zwei Orten zu beklagen. In der weitaus ernsteren Variante in London Gatwick, wo mindestens ein rätselhaftes Objekt den Luftverkehr lahmlegte. Tausende mussten sich an einem der größten Flughäfen Europas in den Weihnachtsurlaub quälen. Die leichtere, gar komische Variante eines Drohnen-Zwischenfalls vollzog sich über Zuzenhausen. Unter dem Himmel im Rhein-Neckar-Kreis liegt kein Flughafen, sondern ein Trainingsplatz. Wie in London ermittelt auch dort die Polizei. Es droht ein Ordnungswidrigkeitsverfahren, denn unbemannte Luftfahrten über Menschenmengen bedürfen der Genehmigung. Eine solche wurde von Werder Bremen nicht eingeholt, und so hat die Bundesliga kurz vor der Winterpause wohl ihren ersten offiziellen Agentenkrimi des digitalen Zeitalters.

Bis vor Kurzem lauerten die Spione des Fußballs hinterm Zaun in angrenzenden Gärten. Und wenn sie sich blöd anstellten (weil das Fernrohr blinkte, weil die Kamera blitzte), wurden sie am Haarschopf aus dem Gebüsch gezogen. Nun aber hat, nach allem was bekannt ist, ein zum Team des SV Werder zählender Scout das Abschlusstraining der TSG Hoffenheim via Fernsteuerung beobachten lassen - viel gebracht hat es nicht, das Duell wurde Mittwochabend beim Stand von 1:1 abgepfiffen. Und sogar der ausgespähte TSG-Trainer Julian Nagelsmann zeigte am Ende gar Verständnis für diese reichlich amateurhaft anmutende 007-Nummer: Er sei dem "Analysten generell nicht böse", so Nagelsmann, wenn da "einer seinen Job mache".

Generell festzustellen ist aber auch, dass die Himmel-Hummeln für den Sport längst eine Gefahr darstellen. Vor der Fußball-WM 2018 in Russland warnten die Veranstalter präventiv vor terroristischen Attacken von oben, die zum Glück ausblieben. Im Oktober 2014 wurde das EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien nach Krawallen abgebrochen. Eine Drohne war plötzlich über dem Rasen in Belgrad aufgetaucht, daran befestigt eine Flagge mit den Umrissen eines großalbanischen Reiches, wie es die Nationalisten fordern. Die Drohne soll aus der albanischen VIP-Loge gestartet worden sein.

Und selbst wenn ein Einsatz genehmigt ist, lauert das Risiko: 2015 entging Österreichs Slalom-Olympiasieger Marcel Hirscher während der Fahrt knapp einer Katastrophe, als eine Kameradrohne hinter ihm in den Schnee krachte.

Zuzenhausen erlebte jetzt die folklorische Seite einer sicherheitspolitischen Herausforderung. Zumal sich Fußballer, die sich belästigt fühlen, ja auch wehren können. Jeder Kicker führt die passende Abwehrwaffe im Arsenal: den Ball. Ein gewisser Oliver Kahn hat anno 2003 - in der Vor-Drohnen-Zeit - in der Schalker Arena beim Abschlag den Videowürfel getroffen, der auf 25 Metern Höhe hing. Ähnlich viel Feuerkraft im Schussbein könnte für eine verlässliche Luftraumüberwachung über Zuzenhausen genügen.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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