Kommentar:Gut fürs Auge

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Alles gleicht sich im Fußball irgendwann aus? Was ist das für ein Sport, der durch die Summe aller Irrtümer vielleicht mal zum korrekten, fairen Ergebnis findet? Nur gut, dass den Schiedsrichtern bald per Videobeweis geholfen werden soll.

Von Klaus Hoeltzenbein

Hinterm Steuer, auf dem Rad, in der Fußgängerzone - Handynutzer, die sich aus ihrer realen Umwelt verabschieden, sind längst als Gefahr für Leib und Leben erkannt. Bildschirmstarrend nehmen sie am Verkehr teil, versuchen aber zugleich, ihm auf digitalen Fluchtwegen zu entkommen. Das muss auf Dauer misslingen, es ist die Einbahnstraße in die Katastrophe.

Ähnlich schizophrene Züge hat der Besuch im Fußballstadion angenommen. Dort zahlen die Leuten zwar einen relativ hohen Eintritt, sie lassen sich dann aber nicht mehr kompromisslos auf das Live-Erlebnis ein, sondern sie teilen es mit dem ständigen Blick auf den vitalen Hand-Computer. Auf dem läuft entweder das Spiel, bei dem man körperlich ohnehin anwesend ist, oder die Liga-Konferenz; ein Service, der auch nicht eben wenig kostet. Auf diesen Missstand, dass der Tribünengast allwissend sein kann, dass er über eine Super-Zeitlupe verfügt, die dem Schiedsrichter auf dem Rasen fehlt, wird nun endlich reagiert. Und die deutschen Unparteiischen, die sich lange sträubten, gehen forsch dabei voran. Motto: Wir wollen nicht mehr künstlich dümmer gehalten werden als unser Publikum am Smartphone.

Alles gleicht sich irgendwann aus? Das ist ein Irrtum

An Schulungsmaterial für die Testphase, die in der Saison 2016/17 beginnen soll, hatte der 24. Spieltag der laufenden Spielzeit einiges zu bieten. Wer die TV-Konferenz auf Sky verfolgte, fand am Mittwochabend gleich in der Startphase zwei interessante Schlüsselszenen, die mit Hilfe des Videobeweises - vermutlich - anders entschieden worden wären. In Hoffenheim gab es einen Hand-Elfmeter, der keiner war (Hoffenheims Süle wurde an den Fingern getroffen, die er vor dem eigenen Körper in Sicherheit zu bringen versuchte); auf Schalke gab es keinen Foulelfmeter, obwohl Schöpf vom Hamburger Ostrzolek spektakulär in der Luft gesenst wurde.

Alles gleicht sich irgendwann aus?

Auch wenn sich gerade beim Schalker 3:2-Sieg einige Argumente für solche Folklore hätten finden lassen: Was ist das für ein Sport, der durch die Summe aller Irrtümer vielleicht doch mal zum korrekten, fairen Ergebnis findet? Günter Perl, der die wirre Partie auf Schalke zu leiten hatte, wäre sicher wohler gewesen, hätte er am Mittwoch wenigstens sein Smartphone dabei gehabt. Dann hätte er jemanden anrufen können, um Sehhilfe von der Tribüne zu erbitten.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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