Kommentar:Gläserne Spieler, glänzende Zukunft

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Schöne neue Datenwelt: Die Handball-Bundesliga will ab der neuen Saison mittels integrierter Chips in Trikots und Bällen alle möglichen Daten erfassen, analysieren und auch für die Zuschauer in Echtzeit aufbereiten.

Von Joachim Mölter

Soll noch mal einer behaupten, der Handballsport hierzulande sei zwar traditionsreich, verstaube aber eben auch in miefigen Schulturnhallen, vor längst ergrauten Zuschauern. Stimmt doch gar nicht mehr, wenn man Frank Bohmann glaubt, dem Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, kurz HBL. Der hat gerade angekündigt, den Ligabetrieb von nächster Saison an in eine "neue Erlebniswelt" zu verwandeln, mit "faszinierenden Blickwinkeln". Also willkommen in der schönen neuen Datenwelt!

Chips, Sensor-Technologie, Analyse-Software, Apps und Tablets sind die Begriffe, mit denen die Liga künftig ein jüngeres Publikum anlocken will; eines, das mit dem Smartphone in der Hand großgeworden und es gewohnt ist, seinen Blickwinkel ständig auf einen kleinen, blinkenden Bildschirm zu richten. Das kann es bald auch in den Handball-Hallen.

Die HBL arbeitet jedenfalls vom Sommer an mit dem Münchner Unternehmen Kinexon zusammen, das mittels integrierter Chips in Trikots und Bällen alle möglichen Daten erfassen, analysieren und in Echtzeit aufbereiten will. In den amerikanischen Profiligen NBA (Basketball) und NFL (American Football) nutzen bereits einige Klubs die Technologie im Training, um Leistungswerte zu ermitteln. Die deutschen Handballer sind nun die ersten, die diese Möglichkeiten nicht nur ihren Klubs und Trainern zur Verfügung stellen wollen, sondern auch der Öffentlichkeit, vor allem Medien und Fans.

Liga-Chef Bohmann ist merklich stolz, dass die HBL beim digitalen Fortschritt vorangeht; er glaubt, "dass diese Art der Datenerfassung für jede medial aufbereitete Sportart in mittelfristiger Zukunft Standard sein wird". In der Tat sollen Fernsehsender die Daten in ihre Live-Übertragungen einfließen lassen und die Fans sie über eine App abrufen können. Für die ist es zweifellos eine hübsche Spielerei, während einer laufenden Partie sofort zu sehen, wer sich am meisten reinhängt von den Spielern, wer am kräftigsten wirft, wer am meisten rennt. Es ist ein Mittel, um vor allem ein junges Publikum für eine Sportart zu interessieren.

Völlig unbedenklich ist die Spielerei mit den gläsernen Athleten freilich nicht, selbst wenn alle Datenschutzrichtlinien eingehalten werden, wie Unternehmen und Liga versichern. Zum einen sehen die Fans dann halt auch, wer bei einer Niederlage am wenigsten gerannt ist und am schwächsten geworfen hat - und können so ihren Unmut auf eine Zielscheibe kanalisieren. Zum anderen besteht die Gefahr, dass man als Zuschauer nur aufs Smartphone blickt und aus den Augen verliert, was sich dahinter tatsächlich abspielt.

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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