Kommentar:Gladbach zaudert

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Es ist ehrenwert von Gladbachs Manager Max Eberl, an seiner seriösen Trainer- und Personalpolitik festzuhalten. Bloß: Seriös ist nicht gleich erfolgreich.

Von Philipp Selldorf

Aus der Ferne mag man sich fragen, worauf die offenbar enorme Anziehungskraft des Dietmar Beiersdorfer gründet, es ist aber wohl nicht zu bestreiten, dass dieser Mann eine überwältigende Faszination auf Menschen ausübt - zumindest auf jene Menschen, die dem Hamburger SV nahestehen. Jenseits der Hansestadt meint man, dass Beiersdorfer einen unheilvollen Hang zum Zaudern und Zögern hat, doch die Leute beim HSV sind immer noch hingerissen vom Charisma ihres Vorstandsvorsitzenden. "Didi ist eine überragende Person", sagte jetzt etwa der HSV-Verteidiger Ostrzolek, während sein Kollege Nicolai Müller im Namen der Mitarbeiter erklärte: "Wir mögen Didi alle unwahrscheinlich gern."

Vor dem Hintergrund dieser Sympathien wird in Hamburg jetzt ein geniales Modell diskutiert, das sich möglicherweise auch für andere Bundesliga-Standorte eignen könnte: Man entlässt den Vorstandschef Beiersdorfer wegen der unzweideutig miserablen Bilanz, wegen himmelschreiender sportlicher Fehleinschätzungen und Fehlinvestitionen - und engagiert dafür als Sportdirektor die überragende Person Didi, die alle unwahrscheinlich gern haben. Didi ist nicht nur ein überall bekannter und beliebter Branchenfachmann, er besitzt außerdem auch fantastische Kenntnisse von den Sorgen, Nöten und Bedürfnissen des HSV. Einarbeitungszeit? Keine. Einen besseren Mann kann der Klub auf dem Sportdirektorenmarkt nicht finden.

Trainer Schubert wurde nie zur überragenden Person erklärt

Das alles klingt vielleicht komisch, doch diese Dinge werden in Hamburg tatsächlich und allen Ernstes besprochen. Was mag André Schubert denken, wenn er davon hört? Schubert ist auch in erfolgreichen Zeiten mit Borussia Mönchengladbach nicht zur überragenden Person erklärt worden. Die Spieler scheinen mit ihrem Trainer ein weniger leidenschaftliches Verhältnis zu unterhalten als die Kollegen in Hamburg mit Didi, was unter anderem in Gesten der Profis während der Niederlage in Augsburg sowie in der Äußerung des Verteidigers Oscar Wendt zum Ausdruck kam: "Wir werden sehen, was passiert."

Es fehlt an der Konsequenz einer klaren Überzeugung

Was passieren wird, wissen im Grunde alle: Wendt und seine Mitspieler, Manager Max Eberl und die übrigen Verantwortlichen. Auch der Betroffene weiß, dass er mindestens in Bälde, vermutlich in Kürze den Platz wird räumen müssen. Bekannt ist das nicht erst seit dem 0:1 in Augsburg, das Eberl Gelegenheit gab, einen eleganten Bogen zu anderen Auswärtsauftritten zu schlagen: "Es ist beschissen, was wir auswärts spielen." Bekannt ist das seit jenen länger vergangenen Tagen, in denen ein grundsätzliches Zweifeln an Schuberts Trainerhandwerk und an der Person Schubert einsetzte. Es ist gewiss ehrenwert von Eberl, dass er an seiner seriösen Trainer- und Personalpolitik festhalten will; bloß ist es nicht immer hilfreich, das Seriöse zu tun. Augsburg hat das vorgemacht: Kurzerhand den vor ein paar Monaten teuer engagierten Dirk Schuster abzuservieren, das sieht seltsam und nicht nett aus, ist aber die Konsequenz einer klaren Überzeugung. Da könnten sich andere Vereine durchaus ein Beispiel nehmen.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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