Kommentar:Gesicht gesucht

Lesezeit: 2 min

Bei Schalke wird aktuell nach einem Sportdirektor gefahndet. Ein Blick in die Führungsetage der Konkurrenz zeigt: Dort macht sich eine neue Generation früherer Legenden breit. Auch Schalke verfügt über geeignetes Personal mit dem Gütesiegel "echter Schalker".

Von Christof Kneer

Jiri Nemec hat mal einen Spitzentrick erfunden, der sehr effektiv und außerdem eleganter ist als der angeblich von Jens Lehmann erfundene Handy-am-Ohr-Trick. Wenn Nemec nach einem Spiel nichts sagen wollte, dann machte er das so: Oben vor den Kabinen lief er an den wartenden Schalker Reportern einfach vorbei, und jenen Reportern, die ihm einen Stock tiefer vor dem Ausgang auflauerten, gab er mit bedauerndem Kopfschütteln zu verstehen: Nee, Leute, sorry, hab' ich doch oben alles schon gesagt.

In Wahrheit, das weiß jeder Schalker, hat der Mittelfeldspieler Nemec niemals etwas gesagt, es gibt nicht viele Leute, die ihn beim Sprechen erwischt haben. Insofern wäre es vielleicht etwas verwegen, dem Tschechen einen führenden Job in der Schalker Strategiezentrale anzuvertrauen, wobei's natürlich schon auch lustig wäre: ein Funktionär, der die anrufenden Journalisten so lange anschweigt, bis der Redaktionsschluss eingetreten ist.

Nemec, 52, ist eine Kultfigur auf Schalke, er zählt zu den heiligen Eurofightern, die 1997 unter Leitung des Trainers Huub Stevens und des Managers Rudi Assauer den Uefa-Cup gewannen. Dennoch wird Nemec keine Rolle spielen, wenn sie bei Schalke nun nach einem Sportdirektor fahnden, der den neuen Sportvorstand Jochen Schneider unterstützen soll. Zwar steht im Stellenprofil nicht, dass man ein echter Schalker zu sein hat - aber derlei Gesuche würden bevorzugt behandelt.

Natürlich reicht es für so einen komplexen Job nicht aus, einfach nur ein Ehemaliger zu sein. Es muss einen Mehrwert geben, der über reinen Stallgeruch hinausgeht, dennoch ist der Trend nicht mehr zu übersehen: Die Klubs versuchen, das Modell Rudi Assauer/Rudi Völler/Uli Hoeneß in die Neuzeit zu überführen - zumindest jene Klubs, die genügend Tradition besitzen, um ein Casting in der eigenen Geschichte anzustellen. Fußball ist ein gigantischer Unterhaltungsbetrieb, anders als Hollywood ist er aber einer, der direkten und regelmäßigen Kontakt zur Kundschaft hat. Deshalb darf sich jeder Klub glücklich schätzen, der in der eigenen Legende ein Gesicht findet, das vom Publikum gemocht und für glaubwürdig gehalten wird - zumal Fußball auch ein gigantischer Wirtschaftszweig ist, der auch weniger glaubwürdige Gestalten anzieht.

Das wäre die Idealbesetzung: ein Familienmitglied, das sowohl kicken als auch einen Konzern repräsentieren kann - so wie sie es in Bremen (Bode, Baumann), Dortmund (Kehl), Stuttgart (Hitzlsperger), Leverkusen (Rolfes) und demnächst wohl auch in München (Kahn) mit Männern aus einer neuen Generation versuchen. Und auf Schalke? Womöglich würde der schlaue Christoph Metzelder ins Muster passen, der zumindest deutlich weniger schweigt als Jiri Nemec.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: