Kommentar:Fortsetzung der Glücklosigkeit

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Mit Heynkes verlässt der vierte Trainer in zwei Jahren Schalke 04. Eine Nachbetrachtung.

Von Christoph Biermann

"Big Boss" heißt die Fernsehsendung mit Reiner Calmund, und demnächst wird er allein dort entscheiden, welcher Kandidat als nächster aus seiner Show fliegt. Big Boss ist Rudi Assauer beim FC Schalke 04, er braucht keine Fernsehsendung. Denn der Manager weiß auch so, wer als nächster fliegt: der Trainer.

Zwar hält es Assauer angeblich für eine persönliche Niederlage, einen Coach rauszuwerfen, aber Jupp Heynckes' Abschied bedeutet den vierten Trainerwechsel auf Schalke in den vergangenen zwei Jahren.

Nie miteinander warm geworden

Bei Assauers aktueller Niederlage überrascht eher der Zeitpunkt: ein Tag vor dem ersten Spiel im Uefa-Pokal. Dass hingegen Schalke und sein Trainer nie wirklich warm miteinander geworden sind, war schon länger zu spüren. Einerseits gab es die Distanz zwischen Assauer und dem Trainer, der sich nach gut 25 Berufsjahren auch vom Boss nichts mehr sagen lassen wollte.

Andererseits tat sich der Trainer mit einer Mannschaft schwer, der man einen inneren Abstand zu ihrem Vorgesetzten stets anmerkte. So entwickelte sich das Team zwar spielerisch weiter, zugleich verlor es zunehmend an emotionaler Ausstrahlung.

Man könnte nun achselzuckend konstatieren: Heynckes und Schalke, es hat halt nicht gepasst. Dass der Trainer von Assauer jedoch als sowohl im guten wie im schlechten Sinne altmodisch bezeichnet wird, verblüfft hingegen schon. Denn selbstverständlich ist Heynckes altmodisch. Eines Etikettenschwindels kann man ihn deshalb nicht bezichtigen: Wo Heynckes drauf stand, war auch Heynckes drin.

Seltsame Glücklosigkeit

Es ist in Gelsenkirchen kein geheimnisvoll verwandelter Coach seiner Arbeit nachgegangen - er hatte bekannte Qualitäten und Macken mitgebracht. Dass die seltsame Glücklosigkeit bei der Besetzung des Schalker Trainerjobs wieder eine Fortsetzung gefunden hat, ist jedoch kein Zufall.

Sie passt zur Personalpolitik der vergangenen Jahre, in denen Schalke 04 Millionen und Abermillionen für Spieler ausgegeben hat, deren Qualität die Mannschaft nicht weitergebracht hat. Zugleich wurde deren Potenzial notorisch überschätzt, die Arbeit der Trainer an diesen Erwartungen gemessen - bis dann die Stunde des Big Boss kam.

Aber vielleicht findet sich demnächst auch für Rudi Assauer mal ein schönes Fernsehformat, wo er Leute rauswerfen kann, ohne gleich einen ganzen Fußballklub durcheinander zu bringen.

© SZ vom 16.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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