Kommentar:Falsch gepfiffen

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Die Meldung vom mutmaßlich manipulierten Testspiel in Belek zeigt, wie angreifbar der Fußball ist. Was noch dramatischer ist: Die Meldung überrascht nicht einmal - ähnliche Verdachtsfälle gibt es in jedem Winter aufs Neue.

Von Sebastian Fischer

Das Schlimme ist, dass die Meldung niemanden überrascht. Sie wiederholt sich ja in verlässlicher Regelmäßigkeit im Winter. Dann fliegen die Bundesligisten zur Rückrundenvorbereitung nach Belek, denn dort sind die Bedingungen eigentlich perfekt. Dort lässt sich in Hotelfluren herrlich mit Kollegen plaudern, dort ist immer schnell ein Testspielpartner gefunden - es sind ja viele da, derzeit allein sieben Erstligisten. Allerdings, und das führt zu der Meldung, die jetzt für ein wenig Aufregung in der Branche sorgt: Es sind auch die Schiedsrichter da, die gerne mal zwei oder vier Elfmeter pfeifen. Oder dubiose Teams, die gerne mal zwei oder vier Gegentore kassieren, einfach so. Im Winter werden Testspiele manipuliert, auf die viel Geld gewettet wird. Das ist so sicher wie das Datum des Rückrundenstarts.

Vor einem Jahr wurden zum Beispiel Slapstick-Szenen beim 5:0 des VfB Stuttgart in Faro/Portugal gegen den extrem demütigen albanischen Erstligisten KF Laci beschrieben. Und diesmal hat in der Türkei ein Schiedsrichter, den niemand richtig kannte, zwei Elfmeter im Spiel zwischen dem SV Wehen-Wiesbaden und Mönchengladbachs Reserve gepfiffen, während in Asien hohe Beträge auf die Zahl der Tore gewettet wurden.

Der Markt ist gigantisch. Geschätzte 200 Milliarden Euro werden weltweit pro Jahr mit Sportwetten umgesetzt. Die bekannten Manipulationsfälle spiegeln nur einen Bruchteil der Realität, die Thematik ist (neben Doping) das größte Problem des Sports. Bekannt ist auch das hohe Risiko bei Testspielen. Deshalb hatte der DFB im vorigen Jahr ein Dutzend eigene Schiedsrichter nach Belek geschickt. In diesem Jahr ist dies nach Debatten mit dem türkischen Verband jedoch nicht geschehen, heißt es.

Immerhin: Sportmanipulation ist in Deutschland in Kürze ein Strafrechtsbestand. Ein Gesetzesentwurf soll noch in 2016 verabschiedet werden. Natürlich bleibt der Fußball anschließend weiterhin angreifbar, Menschen sind leicht verführbar. Es genügt ein falscher Pfiff, um ein Spiel in die gewünschte Richtung umzuleiten. Wer ein einziges Ergebnis kennt, wer es beeinflussen kann, hat auf dem Wettzettel ein leichtes Spiel. Das fällt immer wieder auf, wenn es Winter wird. In Faro, Belek oder anderswo.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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