Der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber wählt die Fußballsprache für seine niederschmetternde Prognose: "Die Untersuchung wird länger dauern als die legendären 90 Minuten." In der Tat, sie könnte sich über Jahre ziehen, und vielleicht kommt sie überhaupt erst zum Abschluss, wenn die WM-Turniere 2018 und 2022 bereits gespielt sind. Denn jetzt dringen die Ermittler unmittelbar in Fifa-Sphären ein, hier geht es nicht mehr um latinische Rechte-Dealer, die sich verdeckte Provisionen zuschieben. Es geht um Geldwäsche, es geht um kriminelles Geschäftsgebaren über Schweizer Bankkonten - das ist die neue Dimension.
Manchem, der sein Leben lang vom Fußball profitierte, drohen schlaflose Nächte
Noch offen ist, wie sich diese auf die WM-Turniere in Russland und Katar auswirkt. Für einen Neuvergabeprozess, wie ihn jüngst Fifa-Compliance-Chef Domenico Scala ansprach, braucht es ja keine 104 krummen Banktransfers, die Lauber gerade als Zwischenstand verkündet hat, es braucht auch keine 53 Geldwäsche-Fälle. Es genügt ein konkreter Geldfluss zwischen einem damaligen WM-Bewerber und einem der involvierten Fifa-Vorstände, die ein überwältigendes Votum für Russland und Katar abgegeben hatten.
Die Spekulation, dass sich derlei finden dürfte, ist nicht sehr gewagt. Es fragt sich ja jetzt schon, wieso im Kontext von WM-Vergaben so viele Verdachtsfälle auftauchen können. Tatsächlich gibt es nicht einen Grund für eine Geschäftsaktivität zwischen WM-Bewerbern und Fifa-Wahlmännern, deren Familie oder Umfeld.
Eine WM-Vergabe ist einfach. Bewerberländer präsentieren der Fifa ihre Pläne, Etats, Garantien, dann tagt der Fifa-Vorstand, er wägt technische Bewertungen der hauseigenen Prüfkommission ab, setzt eigene Gewichtungen und vergibt die Weltmeisterschaft an den Kandidaten, der am geeignetsten erscheint. Und nicht an den Meistbietenden.
Dass diese Ermittlung Jahre gehen dürfte, hat begrüßenswerte Nebeneffekte. Jetzt muss sich mancher, der sein Leben lang vom Fußball profitierte, auf schlaflose Nächte einstellen: Man weiß ja nie, was andere ausplaudern - und auch nicht, wann die Justiz aktiv wird. Das sei ein "dynamischer Prozess", hat Lauber verkündet, er könne "überall hinführen". Auch mitten hinein in die Fifa, weshalb mit der Mär vom chronisch ahnungslosen Weltverband jetzt auch Schluss ist. Die bedrohliche Schwebesituation sollte all jene Funktionäre aus den Ämtern treiben, die diese viel zu lange inne hatten. Angefangen beim (zumindest) politisch Hauptverantwortlichen Sepp Blatter, auf den die Untersuchungen auch zurollen dürften.
Noch tun Blatters Fifa-Granden so, als seien sie in der Opferrolle. Opfer ist aber nur die Fifa - als Organisation. Und dass sie von ihren Leitfiguren zum Täter gemacht wird, wäre nicht das erste Mal. Das war schon so im Strafverfahren um Schmiergelder, die die 2001 bankrottgegangene Sportmarketingagentur ISL an Fifa-Vorstände ausgereicht hatte. Am Ende jahrelanger Prozesse musste die - selbst um Millionen geprellte - Fifa der Justiz auch noch 2,5 Millionen Schweizer Franken zahlen: stellvertretend für ihre Spitzenfunktionäre, die die Ermittlungen der Strafjustiz behindert hatten. Welcher hohe Fifa-Grande das war? Welches Motiv hatte er, die Korruption der Kollegen abzudunkeln - auf Kosten der Fifa selbst?
Götterdämmerung in der Schweiz: Es ist gut, dass dort endlich mit Hochdruck rund um den Weltsport ermittelt wird. Besser noch ist, dass auch das FBI kräftig mitwirkt. Und im Bedarfsfall sicher gewillt ist, die Kollegen im Land der großen Finanzgeheimnisse und mickrigen Korruptionsgesetze ein wenig anzutreiben.