Kommentar:Ein Hoch zwischen dunklen Mosaikteilchen

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Es ist Halbzeit in Rio. Die deutschen Medaillen vom Samstag erfreuen die TV-Zuschauer. Doch das Fernsehen zeigt nicht alles. Und die Liste an Mängeln will bei diesen Spielen einfach nicht abreißen.

Von René Hofmann

Der Samstag war ein schöner Tag in Rio. Die Sonne schien, die Temperaturen kletterten - und in der prächtigen Kulisse gab es einige glänzende Leistungen, die gerade in Deutschland den Eindruck erweckten: Jetzt läuft's bei diesen Sommerspielen, jetzt laufen diese Spiele.

Aus der Ferne betrachtet mag sich dieser Eindruck aufdrängen, bei allen Spielen aber gibt es ein unbestechliches Thermometer, das die tatsächliche Betriebstemperatur der Olympia-Maschine zuverlässig zeigt: die tägliche Fragestunde mit dem Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees und dem Sprecher des örtlichen Organisationskomitees. Und dieses Thermometer zeigte auch am Samstag, zur Halbzeit der Rio-Spiele, noch Werte im roten Bereich.

Am Freitagabend wurden Schwimmer in die falsche Halle gefahren. Der Busfahrer hatte da etwas missverstanden; hektisch wurde der Wettbewerbsplan umgeschrieben, damit doch noch alle Sportler an den Wettbewerben teilnehmen konnten, auf die sie vier Jahre lang hintrainiert hatten. Bei der Leichtathletik, einer der Hauptattraktionen der Spiele, die angeblich auch in Rio seit langem ausverkauft sein soll, waren zum Auftakt viele Sitze leergeblieben. Und dann war da noch der deutsche Kanu-Trainer, der bei einem Autounfall schwerste Kopfverletzungen erlitt, in einem extra für die Spiele ausgewiesenen Krankenhaus in der Nähe offenbar aber nicht behandelt werden konnte, weil die dafür nötige Abteilung aus Geldmangel geschlossen worden war.

Fragen zur Organisation, zur Sicherheit, zum Doping

Die Fragen zur Organisation und zur Sicherheit, denen sich die örtlichen Organisatoren stellen müssen, werden ebenso weniger wie die ans IOC. Sportler, die anderen Sportlern aus politischen Gründen den Handschlag verweigern. Sportler, die andere Sportler verunglimpfen. Sportler, die andere Sportler des Dopings bezichtigen. Sportler, die des Dopings überführt werden. Je näher man den Spielen kommt, desto deutlicher wird, wie viele dunkle Teile dieses Mal das Mosaik hat, das sie am Ende ergeben werden.

Unglaubliche Schlangen vor den Sicherheitskontrollen, Projektile, die wie von Gottes Hand aus dem Himmel gestreut auf mysteriöse Weise auf das Gelände der Reiter herunter regneten, ein Sturm, der etliche Olympia-Gebäude bedrohlich ins Wanken brachte, Wassers in den Schwimmbecken, das sich über Nacht grün färbte, angeblich weil eine Chemikalie fehlte. Die Mängelliste ist lang. Vor allem aber: Sie reißt, anders als bei anderen Spielen, nicht ab.

Natürlich gehen die Spiele trotzdem weiter. Natürlich werden in der prächtige Kulisse weiter Sieger gekürt. In den nächsten Tagen, wenn sich ein Hochdruckgebiet über Rio festsetzen soll, vielleicht sogar noch ein paar mehr, die in Deutschland Entzücken hervorrufen. Trotzdem sollte niemand vergessen: Im Fernsehen ist keineswegs alles zu sehen.

© SZ vom 14.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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