Kommentar:Ein bisschen Naserümpfen

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Die Bundesliga hat sich zu einer Qualitätsdebatte von großer Wucht entschlossen.

Von Klaus Hoeltzenbein

Allzu gerne hätte man den Begriff des "Kulturkampfes" dort belassen, wo er hingehört. In den Geschichtsbüchern, die sich der zu Bismarcks Zeiten entflammten Debatte über die Trennung von Staat und Kirche widmen. Oder zumindest im deutschen Feuilleton, wenn es in unerbittlicher Reich-Ranicki-Manier ("Das ist ein schlechtes Buch. . .") über den Literaturbetrieb herfällt. Nun aber, da es ins Saisonfinale geht, hat sich auch jene Branche, die mit dem Fuß nach Bällen tritt, zu einer Qualitätsdebatte von ungeheurer Wucht entschlossen. Im Kern geht es um die profane Frage: Was ist guter Fußball, also Hochkultur? Und was ist Schweinefußball, also bestenfalls Boulevard?

Als "Schweinespiel" hat der Trainer Labbadia das Duell des HSV gegen Ingolstadt (1:1) tituliert, wobei er den Beitrag seiner Hamburger zu dieser Klassifizierung als relativ klein bemaß. Konkreter wurde da schon der Spieler Holtby, der mitsuhlen durfte und den Gegner nicht nur als eine schlechte, sondern gar als "ekelhafte" Mannschaft beschrieb. Man gerät mit solchen Adjektiven schnell in den justiziablen Bereich, auch deshalb ist eine Suche nach dem Motiv vonnöten. Könnte es sich hier nicht um einen Fall von tabellarischer Eifersucht handeln? Hat doch der Aufsteiger, der gewiss manchen Gegner nervte, bereits 30 Punkte angehäuft, während der HSV aus der Millionenstadt, der ungleich größere Möglichkeiten besitzt, erst bei 28 Punkten angekommen ist.

Es handelt sich hierbei nur um den in der Wahl der Injurien krassesten Fall. Allerorten brodeln solche Qualitätsdebatten, gerade so, als wollten sich die Verantwortlichen entschuldigen, dass es ihnen leider nicht möglich war, wie die Guardiola-Bayern zu kombinieren oder wie die Tuchel-Dortmunder. Beide Klubs dienen als Kontrastmittel zu dem, was anderswo geboten wird. Und die Ingolstädter leiden gerade sehr darunter, dass das, was ihnen angelastet wird, bei Mit-Aufsteiger Darmstadt mit Sympathie begleitet wird: Die Hessen gelten als Überlebenskämpfer im Stile eines Asterix. Naserümpfen über die einen, Augenzwinkern bei den anderen - das verletzt.

Dabei eint beide das als existenziell empfundene Ziel, nicht dorthin zurückkehren zu müssen, wo sie herkommen. In die zweiten Liga, in der soeben der Trainer Rangnick (Leipzig) dem Trainer Effenberg (Paderborn) vorwarf, er lasse einen Steinzeit-Fußball aufführen. Seit 30 Jahren, so Rangnick, habe er es nicht mehr erlebt, dass ein Gegner Manndeckung übers komplette Feld spiele. Rangnick wird wohl aufsteigen, Effenberg womöglich absteigen, die Plätze, die frei werden, will von den Oberen niemand haben. So mancher, der der zweiten Liga entkommen kann, nennt sie erleichtert eine Schweineliga -, nimmt aber gerne das ein oder andere Stilmittel mit.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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