Kommentar:Die Zerreißprobe folgt noch

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Allen Klubs ist eines gemein: Sie schleppen die Kosten aus der Saisonrettung 2019/20 in die neue Spielzeit mit.

Von Freddie Röckenhaus

Die neun Spieltage in Ketten sind geschafft, Insolvenzen vermieden, zumindest in den beiden deutschen Profiligen, positiv getestet wurde nur im Einzelfall, die Absteiger sind mal wieder traurig, und Meister werden sowieso immer die Bayern. Das Hurra aber klingt in der Branche gerade eher wie ein Seufzen. Denn was kommt jetzt?

Jetzt fangen die richtigen Probleme an. Nicht nur im Profifußball hat man bisher nur die Krise kurzfristig abgemildert, nur den Sofort-Kollaps vermieden. Aber das war nur eine Viertel-Saison. Jetzt geht es ans Eingemachte. Borussia Dortmund, Deutschlands einziges börsennotiertes Fußball-Unternehmen, muss als einziger Verein alle wichtigen Geschäftszahlen veröffentlichen. Die Aktionäre des zweitreichsten deutschen Klubs wurden deshalb vorsorglich informiert, dass der BVB mit rund 45 Millionen Euro Verlust aus der abgelaufenen Saison gehen dürfte. Die letzten Jahre hatte Dortmund fast immer hohe Millionen-Gewinne gemeldet und Dividenden ausgeschüttet.

Alle anderen Klubs müssen kaum Zahlen veröffentlichen, auch der FC Bayern nicht. Die Verluste aber dürften, so hört man, noch höher liegen als die des BVB. Wer mehr Umsatz hat, verliert auch mehr. Allein der Leerstand der über 100 VIP-Logen kostet den Meister Millionen; Fernsehen und Sponsoren haben ihre Zahlungen reduziert. Das gilt auch für die Champions League, aus der die Bayern (und in geringerem Umfang Dortmund) ihre hohen Gehaltskosten mitbestreiten. Wenn aber die reichsten Klubs ächzen, was passiert dann anderswo?

Englands Oberklasse zum Beispiel soll fast 25 Prozent weniger Geld von ihren beiden Haupt-Fernsehpartnern erhalten, die sonst den Saus und Braus der Premier League erst ermöglichen. Der Champions League drohen ähnliche Einbrüche. Hauptsponsor Gazprom zum Beispiel soll bereits Abzüge planen.

Gemein ist allen Klubs, dass sie die Kosten aus der Saisonrettung 2019/20 in die neue Spielzeit mitschleppen. Die beginnt gleich mal einen Monat später als sonst, im September. Die Sommerpause überbrücken die Klubs in der Regel durch Dauerkartenverkäufe für die folgende Saison. Im Moment kann aber keiner sagen, ob, ab wann und in welchem Umfang wieder Zuschauer in die Stadien dürfen. 20 Prozent Auslastung würden heute manchen Experten schon als Idealfall gelten. In Dortmund, beim Dauerkarten-Krösus, verkaufen sie um diese Zeit normalerweise 55 000 Jahrestickets. Das bringt auf einen Schlag über 20 Millionen in die Kassen. So kommt man durch den spielfreien Sommer, überall, nicht nur in Westfalen. Nur dieses Mal nicht.

Das Fernsehen zahlt etwas weniger als sonst, aber immerhin berechenbar. Doch die Ware Bundesliga ist nicht mehr dieselbe, wenn halb leere Ränge gezeigt werden müssen. Ausverkaufte Stadien suggerieren die Bedeutung des Fußballs, nicht freie Sitzschalen. Auch Sponsoren finden Fußball ohne Spektakel weniger werthaltig. Sie reduzieren gerade ihre Zahlungen. Vielen Unternehmen, die bisher Werbegelder aus Liebhaberei in den Fußball steckten, können es sich nicht leisten, die Kurzarbeit im Betrieb zu erklären und zugleich mit Millionen Profis zu pampern.

Die meisten Klubs wissen, was auf sie zukommt. Das hochverschuldete Schalke etwa erhält eine 35-Millionen-Bürgschaft vom Bundesland Nordrhein-Westfalen, um sich von Banken wenigstens noch Geld leihen zu können. Fast überall sind die Klubchefs zurzeit damit beschäftigt, sich mit ausreichend Krediten oder Kreditoptionen zu versorgen, damit ihnen nicht im Laufe der unplanbaren Saison 2020/21 unterwegs das Geld ausgeht und sie den Spielbetrieb nicht fortsetzen können. Kredite ersetzen vorläufig Einnahmen. Selbst Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von den reichen Dortmundern mit ihrem hohen Eigenkapital ist schon seit den ersten Vorzeichen der Corona-Krise unterwegs, um sich bei diversen Banken Kreditlinien für den Fall der Fälle zu besorgen. Und natürlich reichen auch bei Bayern München die zu Tode zitierten Uli Hoeneß'schen Festgeldkonten nicht für das aus, was gerade passiert.

Die Zerreißprobe kommt also erst noch. Wenig betroffen sind davon wohl nur die gesponserten Werksklubs, Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig, deren Eigentümer diskret die unabwendbaren Verluste ausgleichen werden. Bayern und Dortmund mögen mit ihren Rücklagen und Bonitäten ein Stück weit kommen. Der Rest, also 30 Erst- und Zweitligisten, muss sich das Geld irgendwo besorgen. Spieler verkaufen, sonst ein probates Mittel, funktioniert angesichts des europaweit zusammengebrochenen Marktes auch nicht mehr wie früher.

© SZ vom 13.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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