Kommentar:Den Risiken ausgeliefert

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Wie zermürbend das Leben im sportlichen Notstand ist, war Kölns Trainer Stöger anzusehen. Eine Fortsetzung dieser Quälerei wäre eine Zumutung gewesen.

Von Philipp Selldorf

Aus der Stadt Kobe im fernen Japan meldete sich Lukas Podolski mit einer Stellungnahme zur Lage des 1. FC Köln. "Danke Peter!", twitterte das Kölner Idol: "Für das, was du für den FC gemacht hast, die Stadt und die Menschen hier. Köln wird dich immer im Herzen haben und nicht vergessen - da bin ich mir sicher!"

Ein schöner Kommentar und mit jedem Wort zutreffend. Stöger war in den viereinhalb Jahren beim FC nicht nur ein erfolgreicher Fußballtrainer, er trug durch seine integrative, aufgeschlossene Art auch zum gesellschaftlichen Leben und sozialen Gemeinwesen bei. Der Mann aus Wien wurde zum Überzeugungs- und Vorzeigekölner. Wenn jetzt viele seiner rheinländischen Verehrer (und Quasi-Landsleute) den erzwungenen Abschied betrauern und der Vereinsführung Vorwürfe wegen der Entlassung machen, dann ist das menschlich verständlich. Trotzdem ist geschehen, was geschehen musste. Ob der Zeitpunkt der Trennung der richtige war, darüber kann man verschiedener Meinung sein, vielleicht hätte man besser schon vor einer Woche gehandelt. Das bleibt jedoch eine Nebensache, die Scheidung an sich war unvermeidlich. Moralische Vorwürfe an das Präsidium und den Geschäftsführer Alexander Wehrle sind nicht angebracht.

Peter Stöger zu erlösen, gehörte zur Verantwortung seiner Bosse

Der Vizepräsident Toni Schumacher hatte zwar neulich in Aussicht gestellt, mit Stöger notfalls den Gang in die zweite Liga anzutreten. Dies war allerdings keine konkrete Absichtserklärung, sondern der Ausdruck von Hochachtung. Vergleiche mit dem SC Freiburg, der seinem Trainer Christian Streich auch nach dem Abstieg vor zweieinhalb Jahren die Treue gehalten hatte und dafür mit dem Aufstieg und der Fortsetzung glücklicher gemeinsamer Zeiten belohnt wurde, sind nicht beispielhaft für den 1. FC Köln. Freiburg ist ein spezieller Fall in der Bundesliga, und Streichs Situation beim SC war eine ganz andere als die von Peter Stöger beim FC. Während Streich 2015 bis zum letzten Spieltag den Klassenverbleib vor Augen hatte (und erst durch ein 1:2 in Hannover einbüßte), befinden sich die Kölner am 14. Spieltag in einer ungleich notdürftigeren und kaum beherrschbaren Lage. Wie zermürbend das Leben im sportlichen Notstand ist, das war Stöger im Laufe der letzen Wochen anzusehen. Eine Fortsetzung dieser Quälerei wäre eine Zumutung für ihn und alle Beteiligten gewesen. Ihn davon zu erlösen, gehörte zur Verantwortung seiner Vorgesetzten. Zumal da er in der vorigen Woche durch seine diffuse Kritik an den Umgangsformen im Verein selbst einen Anstoß gab. Es wirkte wie eine Aufforderung zur Kündigung.

Ob der Trainerwechsel dem Team zu Fortschritten verhilft, ist allerdings zweifelhaft. Die Lage bleibt fürs Erste finster. Unter den herrschenden Umständen müsste Stögers Nachfolger eine Art Wunder vollbringen, um den Klassenverbleib zu schaffen. Was zur Folge hat, dass womöglich auch der nächste Wunschtrainer einen Abstieg moderieren muss, der auf Kosten seiner Glaubwürdigkeit ginge und ihm die Fortsetzung der Arbeit in Liga zwei erschweren würde. Da sich die Kölner aber in einer Zwangslage befinden, sind sie den Risiken ihres Handelns weitgehend ausgeliefert.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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