Kommentar:Da hört das Spiel auf!

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Von Thomas Hahn

Die Zeiten sind so, dass alles passieren kann, selbst gar nichts, und das ist vor allem für Besucher von Sportveranstaltungen keine schöne Aussicht. Gerade sieht sich die Formel 1 von der ersten Sammelklage enttäuschter Verbraucher bedroht, die für ein sattes Eintrittsgeld in Indianapolis live erleben durften, was los ist, wenn sieben Rennställe einen Boykott ausrufen: ziemlich wenig nämlich.

Und keiner kann es den Fans verdenken. Wer sich einen teuren Platz in den großen Arenen leistet, geht schließlich davon aus, dass er dort auch etwas zu sehen kriegt, sofern nicht höhere Mächte mit apokalyptischen Gewitterstürmen oder Schneefall im Juli eine Absage rechtfertigen.

Allein in den Stadien

Aber die Wirklichkeit sieht anders aus, wie die jüngsten Ereignisse zeigen. Habt Acht, Ihr Fans und Freunde des bewegten Balles, Pucks oder Rennautos - es kann Euch widerfahren, dass Ihr massenweise in die Stadien strömt und Euch dann ziemlich allein fühlen müsst.

Boykott und Streik sind Stilmittel, die auch in der Spektakelbranche Leistungssport zusehends ihren Eindruck hinterlassen. In der amerikanischen Eishockey-Liga NHL zum Beispiel ist die gesamte vergangene Saison ausgefallen, weil die Teameigner ihre Profis wegen eines Tarifkonflikts aussperrten.

Und pünktlich zur Beachvolleyball-WM in Berlin richtet die Elite der Frauen eine düstere Drohung vom städtischen Strand an den Weltverband: Streik, wenn sich nichts ändert! Und zwar aus gutem Grund. Sie fühlen sich vom Machtstreben des Präsidenten Acosta gegängelt.

Misstrauen der Zuschauer

Das passt natürlich schlecht zur Romantik des sportlichen Kräftevergleichs, der angeblich nach den gesunden Werten einer integrativen Leistungsgesellschaft funktioniert; zumal diese Zwischenfälle unter solch profanen Rubriken wie Tarifstreit, Arbeitskampf oder Fehler der Reifenindustrie laufen. Und gerade deshalb ist es bezeichnend für den Zustand des modernen Berufssports: Sobald es um Geld, Macht und Eitelkeiten geht, hört das Spiel auf.

Wie dem zu begegnen wäre? Mit Vernunft, Gerechtigkeit und Augenmaß der beklagten Parteien, ob sie nun Reifenfabrikanten sind, Eishockeyprofis oder Volleyball-Präsidenten. Sonst misstrauen bald die Zuschauer ihrer eigenen Leidenschaft und treten ihrerseits in den Ausstand, was den Fans selbst ziemlich billig käme, dem Sport aber gar nicht.

© SZ vom 22.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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