Kommentar:Bundeswehr stoppt Bayern

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Bei der wunderbaren Begegnung zwischen dem VfB Stuttgart und Werder Bremen kam die Polemik auf, ob diese beiden Mannschaften in derselben Bundesliga Fußball spielen, in welcher der FC Bayern immer noch Deutscher Meister werden will.

Von Philipp Selldorf

Da aber weder die Qualität des Spiels und schon gar nicht die Moralität eines durch Kunst und Schönheit verdienten Erfolgs das entscheidende Kriterium bei der letztgültigen Bestimmung des Erstplatzierten ist, sondern allein die erreichte Punktezahl, kann folgender Albtraum weiterhin Wirklichkeit werden: Meister wird der FC Bayern.

Weil er in den verbleibenden acht Partien die Bremer überholt, unter anderem durch einen Sieg im direkten Duell am 32.Spieltag. Diese Schreckensvision wirft die Frage auf: Darf das sein? Und: Kann man nicht ein Gesetz dagegen erlassen? Muss nicht eine dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtete Bundesregierung die Bürger vor diesem FC Bayern schützen? Im Kabinett hat sich dazu bereits eine Initiative gebildet.

Mutiger Vorstoß

Verteidigungsminister Peter Struck ist ihr vorangetreten. Unaufgefordert verkündete er auf einer Pressekonferenz zu Themen der Bundeswehr, ihm sei jeder Meister in der Bundesliga recht, solange es nicht der FC Bayern sei. Ein mutiger, aber gewagter Vorstoß, welcher der Regierung Schröder womöglich mehr Wähler abspenstig macht als sämtliche Praxisgebühren und Rentenkürzungen. Denn die Anhängerschaft des FC Bayern ist mächtig, und würde der Verein sich zur Partei ernennen, dann wäre nicht die Fünf-, sondern die Fünfzigprozenthürde sein Ziel.

Wenn also Bild zu Strucks Vorstoß anmerkt "Darf ein Minister so etwas sagen?", wird die Zeitung womöglich eher von der Sorge um den Erhalt der politischen Ordnung als von sittlichen Zweifeln geleitet. Andererseits hat dasselbe Blatt vor zwei Jahren die beliebte Fernsehjournalistin Anne Will in Bedrängnis gebracht, weil sie Brigitte erzählt hatte, sie müsse "kotzen, wenn wieder der FC Bayern Meister wird".

Maier boykottierte

Damals hieß es ähnlich: "Darf eine Moderatorin so etwas sagen?" Prompt erklärte der FC-Bayern-Politiker Sepp Maier, er werde künftig die Tagesthemen boykottieren und nur noch das Heute-Journal gucken.

Aber vielleicht ist unser Land jetzt endlich soweit. Vielleicht stehen nun auch andere auf, nachdem Struck sich erhoben hat, vielleicht lassen morgen schon der Rheinländer Westerwelle und übermorgen der Sauerländer Merz ihr Gewissen sprechen. Für Frieden und Fortschritt. Damit Deutschland wieder eine Zukunft hat.

© SZ v. 30.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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