Kommentar:Bob Deutschland II

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Deutschland schickt beim Confed Cup gerade seinen zweiten Anzug ins Rennen. Der Talente-Luxus macht aus dem Bundestrainer einen Li-La-Laune-Löw.

Von Christof Kneer

In manchen Sportarten ist es üblich, dass ein Land mehrere Teams unter derselben Flagge ins Rennen schickt. Beim Ski-Langlaufen ist es zum Beispiel so, dass die dritte Staffel Norwegens der ersten deutschen Staffel meist lässig davonskatet, wobei die Deutschen nicht traurig sein müssen, weil sie ja im Rodeln & Bobfahren hinreichend Revanche nehmen könnten. Recht neu ist hingegen die Erkenntnis, dass auch die Verantwortlichen in Deutschlands oberster Sportart mehrere Teams gleichzeitig unterhalten: So hat Bundestrainer Jogi "Joachim" Löw bei einem offiziellen Wettbewerb in Russland gerade seinen Bob Deutschland II in die Spur geschickt, während es U 21-Trainer Stefan Kuntz bei einer ebenfalls offiziellen Europameisterschaft selbstbewusst mit Bob Deutschland III versucht.

Bob Deutschland I wird übrigens gerade geschont, in ihm sitzen sonst Neuer, Boateng, Hummels, Kroos, Khedira, Özil und Müller. Und wenn man es genau nimmt mit einem Überblick über den deutschen Fußball im Sommer 2017, dann muss man auch noch jenes (etwas kleinere) Schattenteam mit in die Wertung nehmen, in dem jene beiden Spieler stehen, denen ein ewiger Stammplatz im deutschen WM-Geschichtsbuch sicher ist: Mario Götze und André Schürrle haben gemeinsam das historische WM-Tor von Rio hergestellt, und sie fehlen in den DFB-Teams dieses Sommers ebenso krank oder verletzt wie Marco Reus, Ilkay Gündogan oder die verheißungsvollen Leroy Sané, Julian Weigl und Jonathan Tah.

Der deutsche Fußball trägt vier Sterne auf dem Trikot, angeblich für jeden WM-Titel einen. Man hat diese Beflockungslogik bisher nie hinterfragt, aber vielleicht muss man die vier Sterne in diesem Sommer anders lesen: Vielleicht steht jeder Stern für einen Bob. Dieser neue Reichtum ist ja durchaus eine Auszeichnung wert, denn so was gab es in der Geschichte des DFB-Fußballs gewiss noch nie: Hätten Jupp Derwall, Berti Vogts oder gar Rudi Völler schonungshalber auf eine dreiviertel Elf verzichtet, hätten sie entweder selber spielen oder zumindest ein paar echte Bobfahrer nominieren müssen.

Aus deutscher und rein sportlicher Sicht hat der umstrittene Confed Cup seinen Sinn also schon erfüllt: Er stellt einen Luxus aus, der sogar Löw zu einem glücklichen Mann machen müsste. Der Bundestrainer hat sich jahrelang etwas kokett gegen die These vom Talentüberfluss gewehrt, aber inzwischen hat sich auch dieser mitunter überanspruchsvolle Mensch mitreißen lassen. Löws Siegergeste nach dem 3:2 gegen Australien war einerseits ein Zeichen, dass der Weltmeister bereit ist, dieses seltsame Turnier anzunehmen - andererseits zeigte die Geste auch die fast schon rührende Erregung, mit der Löw plötzlich auf die neuen Füße auf dem Feld blickt. Der Li-La-Laune-Löw wirkt so frisch motiviert, als habe er das erst jetzt wirklich akzeptiert: dass ihm die Nachwuchsinternate eine Auswahl an Spielern geschenkt haben, die den Job des deutschen Bundestrainers zum schönsten Job der Welt machen, womöglich noch vor Oligarch, Finanzvorstand beim FC Bayern oder Günther Jauch.

Dass Löws B-Elf den Confed Cup gewinnt, heißt das übrigens nicht. Als Nächstes warten die bedrohlichen Chilenen, und die kommen mit ihrem besten Bob.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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