Kommentar:Auf ewig im Medien-Zoo

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Schiedsrichter machen sich jedes Wochenende zum Affen. Und das freiwillig.

Von Klaus Hoeltzenbein

Nur falls es jemand vergessen hat: Schiedsrichter sind nicht zum Masochismus verdammt, sie haben eine freie Wahl des Amtes getroffen. Sie könnten jederzeit rufen: "Ich will nicht mehr! Ich bin ein Mensch! Holt mich hier raus!

Auf einem Auge blind? Wohl kaum. Dr. Markus Merk halten manche für Deutschlands besten Schiedsrichter. (Foto: Foto: dpa)

Ich will diese zu Fratzen verformten Gesichter nicht mehr sehen, diese gegen Abseits und Elfmeter klagenden Profis, die bedrängen, befummeln, beleidigen, wenn ein Pfiff misslingt. Ich ziehe um ins Big-Brother-Haus, zu RTL2, da habe ich es besser. Eh egal, in welchem Medien-Zoo einer den Affen macht."

Die Spielregeln sind ohnehin ähnlich, auch die Hauptdarsteller (Insassen) im Stadion wissen nicht, was um sie herum vor sich geht. Der Zuschauer vor dem Fernseher hingegen bekommt die Zeitlupe via Hinter-über-unter-Torkamera geliefert und fällt nach fünfmaliger Wiederholung sein bretthartes Urteil: falsch gelegen, Trottel, Pfeifenmann! Die Unparteiischen verharren derweil in befohlener Ahnungslosigkeit, ihnen ist jede Videohilfe untersagt.

Steil in die Groteske

Das führt steil ins Groteske. Am Sonntag in Berlin war Schiedsrichter Gagelmann zu sehen, wie er in einer Traube wild gewordener Herthaner zu überleben versuchte. Diese forderten - und sie waren im Recht - zwei wegen Abseits aberkannte Tore ein.

Zugleich drängelten sich auf der gegenüberliegenden Seite des Spielfeldes die Ersatzspieler der Hertha um ein dort platziertes Fernsehgerät des Live-Senders Premiere und ließen sich das Fehl-Urteil bestätigen. Wilde Gesten der Enttäuschten folgten, das Publikum begann zu toben.

Ein Beispiel, wie es anders geht: Im American Football ist der Videobeweis erlaubt. Jede Mannschaft darf zwei Mal pro Halbzeit einen Schiedsrichter-Beschluss anfechten, binnen 90 Sekunden muss entschieden sein, ob der Pfiff bestätigt oder widerrufen wird.

Teert und federt sie

Das muss nicht als Modell für den Fußball taugen, nur hat sich in den USA gezeigt, dass Videobeweise helfen können, ein schneller, athletischer, raffinierter werdendes Spiel und seine Schauspieler fairer zu beurteilen.

Für den Fußball hat Joseph Blatter, Präsident des Weltverbandes Fifa, gerade erst sein Dekret erlassen: So lange er im Amt sei, werde über den Videobeweis nicht einmal diskutiert.

Somit bleibt's beim Theater nach historischen Regeln. Schieds- und Linienrichter sind dazu verdammt, die einzig Dummen zu sein. Und das Volk ruft: teert und federt sie!

© SZ vom 8.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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