Kommentar:Am Samstag ist Pokalfinale!

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Was den Fußball-Klubs in der Krise Hoffnung macht: Alle brauchen einander, um zu überleben.

Von Klaus Hoeltzenbein

Jedes Wort kann zu viel sein. Jedes Wort kann Millionen, vielleicht Milliarden kosten. In dieser Hinsicht ist die legendäre Pleite des Leo Kirch eine Warnung. In Erinnerung an Kirch beißt sich gerade jeder auf die Zunge. Niemand will Gefahr laufen, vom Vorwurf der Vertragsbrüchigkeit verfolgt zu werden.

Deshalb hier noch einmal jene zwei Sätze, die das Kartenhaus des Medienzaren zum Einsturz brachten, gesprochen im Jahr 2002 von Rolf Breuer, Vorstandssprecher der Deutschen Bank: "Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine, wie Sie gesagt haben, Stützung interessieren."

Zwei Sätze, die 2004 nach einem Gerichts-Marathon in einem Vergleich mit 775 Millionen Euro Strafe plus Zinsen bewertet wurden. Beklagter durch die Kirch-Erben war die Deutsche Bank, jener Kreditgeber, dessen Vorstand Breuer die Liquidität der Kirch-Gruppe öffentlich angezweifelt hatte. Zwei Sätze, die zudem eine Lawine auslösten, aus der die Bundesliga nur schwer traumatisiert herauskam. Wie ein Abhängiger hatte der Fußball mit seinen Fernsehrechten am Tropf des Kirch-Imperiums gehangen.

Und damit zur Gegenwart, "zum Produkt", wie Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), sein Angebot in den besseren Tagen nennt. Nach der Kirch-Pleite konnte die DFL ihr Produkt noch anbieten, im Moment kann sie das nicht; damals wurde weiter Fußball gespielt. In der Corona-Krise weiß keiner, wann der Ball wieder rollt.

Rechtehandel ist ein kompliziertes Gewerbe. Wer wissen will, was wo läuft, sollte über einen gut geeichten Medien-Kompass verfügen. Als Konstante geblieben ist die ARD-Sportschau. Die erbarmte sich in der Kirch-Krise und nahm die abtrünnige Bundesliga wieder in ihr Programm auf. Sie sendet auch an diesem Samstag tapfer Fußball, von 18.20 bis 19.57 Uhr: FC Bayern - Dortmund, Pokalfinale in Berlin. Allerdings das von 2014.

(Achtung! Wer sich die Spannung nicht nehmen lassen will, sollte diesen Absatz überspringen. Ganz bitterer Tag für die Schwarz-Gelben! Robben und Müller treffen für die Bayern zum 2:0 in der Verlängerung. Aufreger des Spiels: BVB-Hummels köpft, Bayern-Dante klärt, doch hinter der Linie. Dennoch: Kein Tor! Ein Jahr später wird die Torlinientechnik eingeführt).

Dem Fußball geht es gerade nicht anders als jedem Haushalt: Kaum frisches Gemüse, dafür viel aus der Konserve. Für jeden neuen Live-Ansatz ist die Stammkundschaft äußerst dankbar. So wurden vor einer Woche mehr als zwei Millionen Fans gezählt, die im Internet einen Wettkampf unter Mitwirkung von Bundesliga-Profis verfolgten - an der Spielkonsole.

Mit solchen Kompensationshandlungen aber lassen sich die circa 1,4 Milliarden Euro nicht eintreiben, die den 36 Erst- und Zweitligisten für die Saison 2019/20 an Fernsehgeld versprochen waren. Die Grundrechnung ist einfach: Anteilig fehlt die Summe für die neun ausstehenden der 34 Spieltage. Wie hoch jedoch wird dieser Restbetrag sein? Man kann sich das Gefeilsche nur ausmalen. Gerade jetzt, da den privaten Finanziers - dem Pay-TV-Sender Sky, dem Streamingdienst Dazn - die Einnahmen wegbrechen. Wird ein Geisterspiel noch so viel wert sein wie ein Duell vor Publikum? Gibt es Rabatt, wenn im Sommer im Akkord, also Tag für Tag, gespielt wird?

Die Branche wird runtergedimmt, was die Klubs hoffen lässt, ist dies: Alle Parteien sind, so sie nicht Insolvenz anmelden müssen wie Medienzar Kirch, aufeinander angewiesen. Alle müssen zum Überleben eine Lösung finden. Fußball aus der Konserve ist das nicht. Eine Lösung ist erst gefunden, wenn's mal wieder losgeht. Wenn niemand weiß, wie's ausgeht.

© SZ vom 04.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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