Kolumne vom 12. Juli 2002:Am Straßenrand

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Andreas Burkert

(SZ vom 15.07.2002) - Bisher wusste die Welt nicht wirklich viel nicht über Pedro Horrillo. In den Nachschlagewerken des Radsports (die einige Puristen trotz der segensreichen Erfindung des Internets auch dieses Jahr wieder stolz durch Frankreich tragen) war immerhin zu erfahren: 27 Jahre, geboren in Eibar, Spanien; Profi des italienischen Rennstalls Mapei, seit 1998 Berufsfahrer mit der bescheidenen Bilanz von zwei Siegen, darunter eine Etappe bei einer Veranstaltung namens "Portugal-Rundfahrt"; 2001: 135. bei der Tour.

Eine unauffällige Existenz im Peloton. Seit Samstag hat sich das geändert, Señor Horrillo wird einen Platz in der Geschichte der Tour 2002 erhalten. Die Rubrik indes mag ihm nicht gefallen, sie ist mit "Trottel & Tragödien" überschrieben, eine sehr beliebte Abteilung, sofern man nicht selbst betroffen ist. Prominentes Mitglied der Kartei ist Horrillos Landsmann Pedro Delgado. 1988 hatte der die Tour gewonnen (allerdings auch mit Hilfe eines bei ihm ungemein beliebten Mittels, welches erst nach der Tour auf der Dopingliste erschien), doch 1989 verlor sie der Titelverteidiger bereits vor dem Start: Delgado nahm den Prolog in Luxemburg mit 2:48 Minuten Verspätung in Angriff - er hatte verschlafen.

Drei Wochen später, bei der Ankunft in Paris, hat er sich darüber noch einmal richtig geärgert, denn Greg LeMond siegte mit: rund drei Minuten Vorspung auf ihn, den Dritten. Hinter dem Amerikaner kam Laurent Fignon auf Platz zwei. Sein Abstand: acht Sekunden nach 3215 Kilometern. Und somit Rang eins der inoffiziellen Bestenliste.

Horrillo dürfte eine Position im vorderen Mittelfeld erreichen mit seinem beklagenswerten Irrtum, dem er auf der Zielgeraden in Avranches erlag. Wenige hundert Meter vor dem Ziel hatte er sich aus der Spitzengruppe entfernt, die Aussichten auf den größten Moment seiner Karriere waren wirklich enorm. Kurz vor der Linie schaute er noch einmal über seine linke Schulter zurück auf das hetzende Feld, und dann richtete dieser Pedro Horrillo aus Eibar, Spanien, den Oberkörper auf, um sich als Held des Tages fotografieren zu lassen. Doch leider ist das nicht der Zielstrich gewesen, sondern nur ein Zebrastreifen, und so fuhr Bradley McGee noch rechts an ihm vorbei. McGee, Australien, Sieger von Avranche, so wird es in den Bestenlisten vermerkt.

Pedro Horrillo hat später ganz arg geweint. Er wäre wohl lieber ein Niemand geblieben.

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