Klose und Podolski:Der Lichtgeschwindigkeit nahe

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Stürmer Klose und sein lernbegieriger Partner Lukas Podolski haben sich zum aufregenden Tandem zusammengefunden - nur Werder Bremen bereitet das Sorgen.

Andreas Burkert

Es ist kaum zu glauben, aber Lukas Podolski kann schrecklich ernst und sauer schauen. Vor Wochen haben die Menschen dieses Phänomen erstmals irritiert studiert, und sie guckten dann sicherheitshalber noch einmal hinten auf seinem Trikot nach, ob dort wirklich sein Name stand. Aber es stimmte: PODOLSKI stand jedes Mal auf dem Rücken.

"Gefährlichkeit, die uns im Moment keiner nehmen kann" - Podolski und Klose (Foto: Foto: AP)

Damals ging es um die ewige Frage nach der sportlichen Zukunft, die Leute wollten von ihm wissen, ob er noch ein Jahr mit dem FC in der zweiten Liga versauern werde. Inzwischen hat er sich nun auch offiziell bei Bayern verpflichtet, und nach der WM werde er sich in München "erstmal 'ne Wohnung suchen" müssen, erzählt er gut gelaunt.

Bis diese Frage kommt, die seine Gesichtszüge einfrieren lässt, als habe ihm Bastian Schweinsteiger wegen einer deftigen Niederlage an der Playstation für immer und ewig die Kumpelschaft aufgekündigt. "Das war keine Kritik", erwidert das kölsche Humorbömbchen kühl, "insofern hab' ich auch nichts zu verarbeiten."

Nächste Frage, bitte.

Man sollte Podolskis Reaktion nicht überbewerten, er ist ja noch so jung, gerade einmal 21, und erzieherische Maßnahmen sind in diesem Alter so beliebt wie der Eltern Anwesenheit bei einem Rendezvous.

Er muss deshalb nicht vor aller Welt eingestehen, dass ihn Miroslav Klose, mit dem er ja seit Samstag nach Ansicht der internationalen Presse endgültig "ein Traumpaar" ( Sunday Express, England) oder auch "ein höllisches Sturmduo ( Folha, Brasilien) bildet, leicht zurechtwiesen hatte nach den ersten Partien.

Der Kamerad müsse mehr Bereitschaft und Beinarbeit einbringen, hatte Klose angeregt, und wer immer noch an der bemerkenswerten Mutation eines schüchternen Pfälzers aus Blaubach-Diedelkopf zum "Führungsspieler" (Teammanager Bierhoff) zweifelte, revidierte nun endgültig seine Meinung.

Auch Lukas Podolski hat offenbar verstanden, denn er arbeitete gegen Ecuador viel auffälliger in den Räumen, die ihm Klose schuf. Und er schaffte ein Tor. Nun hat Podolski nach seinen beiden Volltreffern gegen Schweden drei Tore auf dem Konto, mit den vieren von Klose kommen sie auf sieben. Christoph Metzelder, der beredte Innenverteidiger, sagt: "Im Moment ist es eindeutig Miros WM."

Man of the Match

Es ist ganz bestimmt kein Zufall gewesen, dass die von einer ausländischen Brauerei gesponserte Wahl zum Man of the Match diesmal verblüffend zutreffend auf Klose fiel und nicht auf den Doppelschützen Podolski.

Denn dieser Sieg, mit welchem die Deutschen angeblich endgültig die ganze Welt erschreckt haben mit ihrem furiosen, aufwändigen Offensivstil, ist auch sein Werk gewesen.

Wenn jedenfalls die aufgedrehte DFB-Auswahl die Schweden in der ersten halben Stunde regelrecht wegbiss wie ein gedopter Mückenschwarm an einem See bei Bullerbü einen Badegast mit süßlichem Blut - und nichts anderes tat sie -, so führte vorne Klose den Stachel zwischen den Zähnen.

Was Klose selbst in der Rückwärtsbewegung leiste, sei "großartig", findet Metzelder, er sei " altruistisch veranlagt" und demnach selbstlos. Klose entgegnete zu alledem nur, sein Spieler der WM sei bisher "der Philipp Lahm". Ziel des Teams sei es eben, "dass wir hier jedes Spiel Vollgas geben".

Es geht immer weiter

Miroslav Klose hat nun schon ziemlich viel erreicht bei dieser WM, für die er sich, wie er geheimnisvoll ergänzt, "auch ganz persönliche Ziele gesetzt habe". Er hat sich nicht nur den kongenialen Sturmpartner zurecht gebastelt. Nein, er übertrifft sich außerdem beinahe täglich selbst. "Letzte Woche habe ich schon gedacht, ich wäre am Limit", sagt er, "aber es geht immer weiter."

Gegen Schweden näherte sich Klose mehrfach der Lichtgeschwindigkeit, und für seine Gegenspieler ist das insofern bedauerlich gewesen, weil er dabei trotzdem den Ball am Fuß führte. Podolski ahnte sehr oft seine Absichten voraus, als habe er vorab Einblick in das Drehbuch erhalten.

Er führt dieses neue Verständnis auf die Trainingsarbeit zurück. "Wir üben das, der Jogi Löw zeigt uns oft die Laufwege, und wir gucken Videos. Das muss man in den Kopf reinbringen, dann lernt man das." Allerdings solle man die Sache nicht zu hoch hängen, meint Podolski. "Da war'n auch Fehlpässe dabei. Vom Traumduo zu reden, ist nicht in Ordnung: Wir haben ein ordentliches Spiel gemacht." Sicher ein kleiner Scherz.

Löws Seminare und Kloses Emanzipation führen dazu, dass die Abwehr recht häufig aus der Distanz das Spiel bestaunen darf. "Es ist sehr schön für uns, wenn wir vorne zwei haben, die die Bälle so gut halten, sie fordern und kaum abgeben", sagt Per Mertesacker.

Der Fachkollege Robert Huth findet es übrigens erfreulich, "dass ich im Training meistens mit Miro spiele"; in der Haut der Schweden habe er " nicht stecken" wollen. Klose, ergänzt Mertesacker, sei "fast nur mit Foul vom Ball zu trennen".

Das Sturmduo produziere "jetzt eine Gefährlichkeit, die uns im Moment keiner nehmen kann".

Klose als explosives Kraftwerk eines aufregenden Tandems ist am Samstag nichts anderes als ein Ereignis gewesen. Doch nicht allen Deutschen bescherte er ungetrübte Freude. Werder-Sportchef Klaus Allofs etwa hört bereits Fragen nach der Schmerzgrenze für einen Transfer des vereinseigenen Helden.

Horizonterweiterung im Ausland

Oliver Bierhoff sagte gestern, er halte Klose selbstverständlich "absolut reif" für den Schritt ins Ausland; er bemühte sich dabei um einen größtmöglichen diplomatischen Unterton, doch die Vorzüge "der Horizonterweiterung" seien leider gravierend.

Der - nicht abgeneigte - Kandidat wisse zudem ganz genau, "dass die WM für ihn eine große Plattform ist".

Bis 2008 gilt Kloses Vertrag in Bremen, doch spätestens 2007 werden sie ihn wohl ziehen lassen müssen. Gut möglich, "dass nach der nächsten Saison der richtige Zeitpunkt zum Verkaufen ist", räumte Allofs am Sonntag ein.

Klose sollte sich demnach darauf einstellen, dass er ab sofort sehr häufig nach seiner sportlichen Zukunft gefragt wird. Vermutlich wird er fröhlich lächelnd antworten. Er ist ja nicht mehr 21.

© SZ vom 26.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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