Kerber:"Ich treffe keinen Ball!"

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(Foto: Aly Song/Reuters)

Die 31-Jährige geht im Achtelfinale gegen Danielle Collins unter. Die Niederlage ist ein erster Rückschlag unter dem neuen Trainer Rainer Schüttler.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Angelique Kerber hatte die Stätte ihrer Niederlage schon verlassen, da schickte ihr die Amerikanerin Danielle Collins gut gelaunt noch eine Warnung hinterher: Man solle sie erst einmal auf der Bowlingbahn oder beim Abschlag mit dem Golfball erleben, erklärte sie. Oder beim Karaoke. "Ich habe zwar keine gute Stimme, aber ich gebe immer alles und rede mir ein, ich bin die Beste." Hätte sie am Sonntag gesungen, statt Tennis zu spielen, wären in der Margaret-Court-Arena vermutlich die Lautsprecher scheppernd vom Dach gekracht.

Collins, 25, aus Florida hat Kerber im Achtelfinale der Australian Open geschlagen, 6:0 und 6:2, die Wimbledonsiegerin wirkte noch eine Stunde später so, als sei eine Naturgewalt über sie hinweggegangen. Erstaunlich waren nicht nur das Ergebnis und die Tatsache, dass das vorzeitige Aus nur 56 Minuten dauerte. Am frappierendsten wirkte der Umstand, dass Kerber, 31, eine dreimalige Grand-Slam-Siegerin und Australian-Open-Champion von 2016, gegen eine Kontrahentin verlor, die bis Anfang vergangener Woche noch nie eine Partie bei einem der Major-Turniere gewonnen hatte. Geschweige denn einen Fuß auf die blauen Showcourts im Melbourne Park gesetzt hatte. Als Absolventin der Kommunikationswissenschaften der University of Virginia spielt Collins erst seit zwei Jahren professionelles Tennis auf der WTA-Frauen-Tour. Davor allerdings hat sie sich mit ihrem harten, wuchtigen Angriffsspiel einen Namen als eine der besten College-Spielerinnen in den USA gemacht. Dass sie es binnen kürzester Zeit unter die besten 30 Spielerinnen der Weltrangliste brachte, spricht ebenfalls für sich.

Kerber gehörte zu den Favoritinnen in Melbourne, hatte gerade erst ihren 100. Sieg bei einem der großen vier Grand-Slam-Turniere verzeichnet und war durch die ersten drei Runden geschwebt, ohne einen Satz verloren zu haben. "Es gibt kaum etwas zu sagen. Es war überhaupt nicht mein Tag", befand sie, als sie vor den Journalisten saß. Schon nach elf Minuten hatte sie ihr Aufschlagspiel zweimal abgegeben und lag 0:4 zurück. "Ich treffe keinen Ball!", brüllte sie da ärgerlich. Sie fand von Anfang an kein Mittel gegen die Bälle, die ihr von der anderen Seite des Netzes, aggressiv geschlagen, entgegenflogen. Die Returns waren viel zu kurz und landeten fast durchgängig an der T-Linie: Das gab Collins die Gelegenheit, ein paar Schritte vor die Grundlinie zu stürmen, um das Tempo weiter zu erhöhen, weil sie die Bälle noch früher schlagen konnte. "Es gibt solche Tage", seufzte Kerber. Aber weil sie gegen Collins schon einmal, im vergangenen Sommer in Eastbourne auf Rasen, gespielt und klar gewonnen hatte (6:1, 6:1), kam sie auch zu dem Schluss, ihre Gegnerin habe am Sonntag "wohl wirklich eines der besten Matches ihrer Karriere gespielt".

Collins sei das "perfekte Match" gelungen, bestätigte auch Barbara Ritter, die für die Frauen zuständige Trainerin im Deutschen Tennis-Bund (DTB), die das ungleiche Spiel von der Tribüne aus verfolgte. Kerber hingegen, so lautete ihre Einschätzung, habe einfach einen schlechten Tag erwischt - so etwas könne vorkommen einmal im Jahr, im Tennis wie in anderen Berufen: "Es ist dann natürlich unangenehm, wenn es einen zu diesem Zeitpunkt, bei den Australian Open, trifft."

Kerber ist keine Offensivspielerin wie Serena Williams: "So aggressiv werde ich nie spielen können", hatte sie noch vergangene Woche erklärt, als sie über die ersten Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer Rainer Schüttler sprach. Stattdessen gilt sie als eine der weltbesten Konterspezialistinnen mit dem Schläger in der Hand; nur an sehr schlechten Tagen ist sie anfällig für die Attacken von Gegnerinnen, die mit maximaler Kraft versuchen, die Taktik zu dominieren. Collins indes hatte diese Spielweise der Wimbledonsiegerin ausführlich seziert: "Ich wusste, was ich tun wollte", erklärte sie munter: "Ich wollte sie vom ersten Ballwechsel an nicht ins Spiel kommen lassen." Dieser Matchplan ist aufgegangen.

Unvorbereitet traf Kerber die Wucht der Bälle nicht: Als Warnung galt ihr Collins' erster Auftritt in Melbourne am vergangenen Montag, als sie die zweitbeste deutsche Profispielerin, Julia Görges aus Regenburg, Nummer 14 der Setzliste, in drei Sätzen bezwang. Görges fehlten noch zwei Punkte zum Sieg, und sie gab das Match nur durch eigene Unkonzentriertheit aus der Hand.

Für Kerber bedeutet diese Niederlage nun den ersten Rückschlag auf dem gemeinsamen Weg mit Schüttler. "Eine Analyse gibt es immer, nach Siegen wie nach Niederlagen", sagte sie. Schon einmal, 2017, war sie im Achtelfinale der Australian Open gescheitert: Exakt ein Jahr dem Triumph in der Rod-Laver-Arena verlor sie gegen Coco Vandeweghe aus den USA 2:6 und 3:6; das Erlebnis stand damals am Beginn eines Krisenjahrs, in dem sie Form und Selbstbewusstsein suchte. Die Wiederholung des Szenarios fürchtet Rittner nicht: "Ich glaube nicht, dass das eine Spirale wie 2017 nach dem Vandeweghe-Match auslöst", sagte sie. Kerber sei älter und erfahrener geworden. Sie werde das Match mit Schüttler, "einem besonnenen Mann", sicher in Ruhe analysieren.

Ohnehin hatte Kerber keine Lust, sich die Erinnerung an Australien vermiesen zu lassen. "Niederlagen gehören zum Spiel", lautete ihre Bilanz. "Und dieses Turnier wird immer etwas Besonderes für mich bleiben, daran wird ein Match nichts ändern können", sagte die 31-Jährige beim Abschied.

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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