Kempter-SMS an Amerell:"Du bist nicht weg"

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In der Schiedsrichteraffäre ist eine neue SMS aufgetaucht. Warum war Kempter auf interne Klärung bedacht - und gab plötzlich Interviews, in denen er Amerell der Belästigung bezichtigte?

T. Kistner und P. Selldorf

Am Freitag findet in Frankfurt beim Deutschen Fußball-Bundeine turnusmäßige Präsidiumssitzung statt, die 19 Mitglieder des höchsten Ratsgremiums des Verbandes kennen den Termin seit langem. Was das wichtigste Thema auf der Tagesordnung angeht, lernen sie allerdings täglich hinzu. Wie am Freitag der Kenntnisstand in der Schiedsrichter-Affäre des DFB aussehen wird, kann niemand sagen, die Faktenlage wird täglich um andere Einzelheiten bereichert.

Am Montag tauchten weitere Botschaften auf, die Michael Kempter an Manfred Amerell geschickt haben soll. Der junge Schiedsrichter bezieht sich darin auf den Fortgang des Verfahrens, das er vor dem DFB gegen seinen - ehemaligen - Schiedsrichter-Aufseher angestrengt hatte, indem er Amerell vor dem DFB bezichtigte, ihn sexuell belästigt zu haben.

Aus den offenbar vom Mobiltelefon geschickten Nachrichten geht hervor, dass Kempter im Zuge einer privaten Kommunikation mit Amerell möglicherweise versucht hat, das beim DFB laufende Verfahren gegen Amerell zu beruhigen. Der Eindruck entsteht, dass Kempter daran gelegen war, die Untersuchung des Verbandes aufzuhalten, weil er um seine Schiedsrichterkarriere fürchtete.

In einer SMS vom 1.Februar schrieb Kempter unter Berufung auf ein Telefonat mit Präsident Theo Zwanziger wörtlich: "Der Zwanziger hat mich angerufen. Du bist nicht weg. Erzähl, dass mich halt gemocht hast als Menschen und keine Ahnung. Ich habe mich mit meinem Ende auch abgefunden. Wie es weiter geht, weiß ich auch nicht. Musste alles wohl so sein. Na ja, denke, ich habe meine Tasche auch zum letzten Mal gepackt. Sei normal zu denen. Ich bin innerlich kaputt." Beendet hat er die Mitteilung resignativ: "Schon ewig nicht mehr der Michael. Stellen viele fest."

Die SMS vom 1. Februar steht in Zusammenhang mit weiteren Schreiben, in denen Kempter Amerell berichtet, dass ihm an einer internen Klärung gelegen wäre. Am 2. Februar schrieb er: "Ich kann nun alles nur relativieren." Am 3. Februar folgte eine weitere Botschaft: "Ich habe Hans" - gemeint ist DFB-Personalchef Stefan Hans - "geschrieben, dass es so geklärt werden muss. Es hängen Familien von allen drin. Ich habe die Nachricht dem Hans geschickt. Na ja." Warum ist Kempter dann doch so massiv gegen Amerell vorgegangen? Wer hat ihn beeinflusst? Denn kurz nach der SMS an Hans gab Kempter Interviews, in denen er Amerell explizit der sexuellen Belästigung bezichtigte.

Der DFB gab zum Auftauchen der neuen Indizien keinen Kommentar ab. Er verwies nur darauf, dass Amerell auch noch durch drei weitere Schiedsrichter belastet werde. Am Montag hieß es, dass sich mindestens einer der drei namentlich nicht bekannten Referees der Öffentlichkeit erklären und Strafanzeige gegen Amerell stellen wolle.

Als weitere Folge steht laut Express der Rücktritt des seit 1995 amtierenden Schiedsrichterchefs Volker Roth bevor. Der 68-Jährige hatte zuletzt darauf beharrt, bis zum vorgesehenen Wechsel im Herbst im Amt bleiben zu wollen. Roth war der Erste, an den sich Kempter mit seinen Vorwürfen gegen Amerell gewandt hatte. Fast vier Wochen ließ der oberste Schiedsrichterkommissar laut offizieller Darstellung vergehen, bis er die Zentrale informierte.

Am Montag hat Amerell laut dpa bei der Staatsanwaltschaft München I wegen Abgabe einer falschen Eidesstattlichen Versicherung und Verleumdung Strafanzeige gegen Kempter und drei weitere Referees eingereicht.

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