Kellerduell:Dreimal klatscht's

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Kaum zum Hinsehen: Paderborns Trainer Steffen Baumgart zieht sich nach der Nullnummer den Mundschutz über die Augen. (Foto: imago)

Die Abstiegskandidaten Düsseldorf und Paderborn trennen sich torlos. Für die Fortuna bahnt sich damit im Jubiläumsjahr eine schwierige Situation an.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Dieses satte Geräusch, wenn ein praller Fußball mit seiner Polyurethan-Haut gegen einen Aluminiumpfosten klatscht, kann man normalerweise gar nicht richtig genießen im Stadion. Die Zuschauer sind einfach zu laut. Das kann man nur dann gut hören, wenn im Stadion keine Fans sind wie am Samstag in der Düsseldorfer Arena. Da knallte es gleich dreimal laut und deutlich.

Dem Fußballer Valon Berisha dürfte es noch im Bett in den Ohren geklungen haben, wie er erst den Ball an den Pfosten gedroschen und später mit der Stirn an die Latte katapultiert hatte und wie er nach seiner Auswechslung auch noch mitansehen musste, wie sein Teamkollege Steven Skrzybski die Kugel ein weiteres Mal an den Pfosten donnerte. Für Klangforscher und Akustikkünstler wäre das ein Genuss gewesen, aber für die Fußballer von Fortuna Düsseldorf war es ein Martyrium. Ohne Zuschauer, ohne Tore, ohne Jubel und weiter ohne Heimsieg ausgerechnet im Vereinsjubiläumsjahr 2020 beendeten sie das erste Geisterspiel in der 125 Jahre währenden Klubhistorie mit einem Nullzunull gegen den Tabellenletzten Paderborn. So verbleiben sie in akuter Abstiegsnot. Als sie das Stadion verließen, verbargen sie ihre melancholischen Mienen unter Masken.

"Bizarr!", sagte der Kapitän Kaan Ayhan nach dem Spiel, aber er meinte nicht die Treffsicherheit seiner Kollegen beim Pfostenschießen, sondern den Maskenball im Bus: "Ich weiß gar nicht, ob man sich an all die Umstände gewöhnen kann." Bis zum Sommer wird ihnen kaum eine andere Wahl bleiben; wie es danach weitergeht, das ist in Düsseldorf noch mehr als in anderen planungsunsicheren Klubs ungewiss - weil man nicht weiß, in welcher Liga man dann spielt und mit welchen Fußballern. 17 Verträge laufen am 30. Juni aus, drei Tage vorher endet die Saison und als Tabellendrittletzter müsste die Fortuna Anfang Juli Relegationsspiele bestreiten. Die nur ausgeliehenen Alu-Schützen Berisha und Skrzybski etwa wären dann im Grunde wieder bei ihren Vertragsklubs Lazio Rom und Schalke 04. Eine schwierige Konstellation.

Noch schwärzer sehen die Paderborner. Vom Samstag wird das Bild im Gedächtnis bleiben, wie sich Trainer Steffen Baumgart den schwarzen Mundschutz mit den Ziffern seines Geburtsjahres 72 von der Stirn her über den Mund zog. Der Schnappschuss zeigt ihn wie Zorro, bloß ohne Augenschlitze. Als sein Stürmer Christopher Antwi-Adjei drei Minuten vor Schluss eine kapitale Torchance zum Sieg derart blind vergab, als trüge auch er eine Augenbinde, dachte Baumgart nach eigener Auskunft: "S, C, H... mit Ausrufezeichen!"

So zerknirscht wirkte der Trainer in der pressefreien Pressekonferenz nach dem Spiel gleichwohl nicht. Die Fragestunde wurde live auf die Großmonitore im Stadion-Innenraum übertragen, und als sich Baumgart und Fortuna-Coach Uwe Rösler noch unbeobachtet wähnten, stießen sie keck mit zwei Bierflaschen an - gewiss mit 0,0 Prozent Alkohol, wie es zum Spiel passte. "Fürs erste Spiel nach zehnwöchiger Pause bin ich zufrieden", sagte Baumgart. Rösler sah's ähnlich. Die Düsseldorfer waren 120 Kilometer gelaufen, die Paderborner 115. Das sind respektable Werte und rühren nicht vom Freilaufen zwecks Social Distancing. Die Kellerkinder praktizieren modernen Pressingfußball, bloß mit dem Toreschießen tun sie sich schwer. 1,04 Tore pro Spiel schießen die Düsseldorfer im Schnitt, auf 1,15 kommen die Paderborner. Da ist es nicht hilfreich, wenn auch noch die Druckwellen des lärmenden Publikums fehlen. Mit deren Hilfe wäre mindestens der Schuss von Berisha bestimmt noch vom Innenpfosten ins Tor gedrückt worden.

© SZ vom 18.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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