Kanu-WM in Duisburg:Die Zuverlässigsten der Zuverlässigen

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Potsdams Kajakfahrer Ronald Rauhe und Tim Wieskötter sind auf dem Weg zu ihrem sechsten WM-Gold.

Ulrich Hartmann

Wenn es stimmt, dass nur Niederlagen den Charakter stärken, dann müsste man sich Sorgen machen um Ronald Rauhe und Tim Wieskötter. Wenn man die beiden Potsdamer Kajakfahrer bei der Kanu-Weltmeisterschaft in Duisburg auf diese Problematik anspricht, dann lachen sie aber bloß. Am Freitag haben sie morgens zunächst ihren Vorlauf über 500 Meter gewonnen und nachmittags auch ihr Halbfinale. Am Sonntag wollen sie das WM-Finale gewinnen. Es wäre über diese Distanz ihr sechster WM-Sieg in Serie. Rauhe und Wieskötter haben nach ihrem dritten Platz bei Olympia 2000 in Sydney und seit ihrem ersten gemeinsamen WM-Triumph 2001 über 500 Meter kein einziges internationales Meisterschaftsfinale mehr verloren. Sie sind die zuverlässigsten unter lauter zuverlässigen deutschen Kanuten. "Die Siegesserie ist unser Markenzeichen", sagt Wieskötter. "Mit dem zweiten Platz geben wir uns nicht mehr zufrieden!"

"Uns treibt die Jagd nach dem perfekten Rennen", sagt Ronald Rauhe (vorne), Kajakpartner von Tim Wieskötter. (Foto: Foto: dpa)

Ungeschlagen seit 2001

Als sie am Freitag nach dem Halbfinale aus dem Boot stiegen, waren sie aber trotz ihrer gefährlichen Erfolgsserie so freundlich und lustig wie immer. "Wir können mit unseren Siegen ganz gut leben", sagte Wieskötter grinsend. "Wir brauchen keine Niederlagen, um dazuzulernen!" Man muss sich also keine Sorgen machen um das beste deutsche Kajakduo. Es ist nämlich so, dass sie sich charakterlich ergänzen, vor allem aber sportlich. Wieskötter, 28, kommt von der Langstrecke. Rauhe, 25, ist Sprinter. Im Zweierkajak ergeben sie eine hocheffektive Mischung. "Ausdauer ist auf der 500-Meter-Strecke vor allem im Mittelteil sehr wichtig", sagt Wieskötter. "Und am Ende zählt die Schnellkraft", sagt Rauhe. Mehr als 150 Mal haben sie seit ihrem gemeinsamen Debüt im Jahr 1999 bei Rennen zusammen im Zweier gesessen.

Sie verstehen sich blind, und zumindest für den vorne sitzenden Rauhe ist das ja auch notwendig. "Wir kennen uns in- und auswendig, sowohl im als auch außerhalb vom Boot", sagt Wieskötter. Weil sie sich so gut verstehen, macht sich auch der Chefbundestrainer Reiner Kießler nie Sorgen um die beiden. Er muss sich um sie fast gar nicht mehr kümmern. "Naja, ganz so ist es auch nicht!", sagt Kießler und lacht. "Sie scheinen eine Bank zu sein, aber sie müssen immer konzentriert bleiben." Bedenken, dass sie überheblich oder fahrlässig werden könnten, macht sich Kießler nicht. "Sie passen gut zusammen und spornen sich gegenseitig an, wenn sich einer doch mal hängen lässt." Doch Rauhe und Wieskötter eint der Ehrgeiz. Der hält sie wach.

Die sechs schnellsten Zeiten, die jemals von zwei Männern in einem Kajak über 500 Meter gepaddelt wurden, stammen alle von Ronald Rauhe und Tim Wieskötter. Seit 2002 halten sie den Weltrekord und sind seither noch fünf Mal ganz nahe an ihn herangekommen. Aber sie haben jene 1:26,971 Minuten, die sie beim Weltcup in Szeged/Ungarn gefahren sind, nicht mehr schlagen können. Ihre eigene Bestzeit ist ihr größter Gegner. "Uns treibt die Jagd nach dem perfekten Rennen", sagt Rauhe. Aber was macht ein perfektes Rennen aus? Man sehe das von außen nicht, sagen beide. "Selbst unser Trainer kann das nicht mehr im Detail beurteilen", sagt Wieskötter.

"Paddeln, bis wir blau sind"

Extreme Synchronität beim gemeinsamen Paddelschlag und ein möglichst ruhig fahrendes Boot sind die letzten maßgeblichen Feinheiten, an denen es jedes Mal aufs Neue zu arbeiten gilt. Während des Rennens erspüren sie die für den Sieg notwendige Schlagfrequenz. Miteinander sprechen können sie ja nicht. Das Finale des Rennens ist dann relativ einfach. "Im Schlussspurt paddeln wir, bis wir blau sind!", sagt Rauhe. Seit sechs Jahren geht diese Taktik auf. Aber wie lange noch? "Natürlich wollen wir in Peking wieder Olympiasieger werden", sagt Wieskötter.

Am Sonntagnachmittag in Duisburg im Finale über die 500 Meter werden sie das Ticket nach Peking lösen. Sie müssen Sechster werden, um die Qualifikation für Olympia sicher zu haben, aber es erklärt sich von selbst, dass sie die Ziellinie auch diesmal als Erste überqueren wollen. Und es ist ja auch nicht so, als ob die beiden Sportsoldaten nicht wüssten, wie sich das anfühlt, wenn man mal ein anderes Boot vorlassen muss. Nicht alle Vorläufe und Halbfinals bei internationalen Meisterschaften haben sie in den vergangenen sechs Jahren gewonnen. Manchmal muss man nämlich auch taktieren und es ein bisschen ruhiger angehen lassen, wenn der Finaleinzug bereits sicher ist. "Zwei oder drei Niederlagen gab es schon", sagt Rauhe, und eine sogar in einem Finale, "aber das", schiebt er gleich hinterher, "war in einem für uns eher spaßbetonten Rennen". Im vergangenen Jahr fuhren sie beim Weltcup in China in einem Leihboot und gewannen nicht. "Wir waren aber auch eher als Touristen in China", sagt Rauhe fast entschuldigend. Sie wissen ihre wenigen Momente des Verlierens durchaus zu erklären.

Zur Charakterbildung brauchen sie die Niederlagen nicht, denn dafür haben sie ja noch die Schmerzen. Wenn man Tim Wieskötter und Ronald Rauhe fragt, was das perfekte Rennen ausmacht, sagt Rauhe: "Optimal ist ein Rennen, bei dem wir uns trotz all der Schmerzen so richtig wohlfühlen!"

© SZ vom 11.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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