Kamerun:Es geschah in einer turbulenten Nacht

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Kein Sieg, kein Geld, kein Job: Der deutsche Trainer Winfried Schäfer ist als Nationalcoach Kameruns entlassen worden und fühlt sich als Opfer eines Komplotts.

Von Javier Cáceres

Leipzig - Überbordend kommunikativ sind die Herrschaften von Kameruns Fußballverband Fecafoot offenbar nicht; jedenfalls nicht, wenn es darum geht, ihrem leitenden Angestellten Winfried Schäfer aus Ettlingen die nicht ganz uninteressante Kunde zu überbringen, dass er als Nationaltrainer gestürzt ist.

Sechs Mann hoch waren sie nach dem 0:3 in Leipzig in die Kabine gelaufen, mit ausnahmslos bärbeißigen Mienen und in den Manteltaschen vergrabenen Händen: Verbandspräsident Mohamed Iya, Ehrenbotschafter Roger Milla, Sportdirektor Robert Ndjana, Vizepräsident David Mayebi, Präsidiumsmitglied Alhadji Alioum sowie Teammanager Emmanuel Engongomo.

Was bis dahin geschehen war: Siegfried David Etame Massoma, Minister für Jugend und Sport, hatte das Spiel im heimischen TV verfolgt, mit Schlusspfiff beim staatlichen Radiosender angerufen und mitgeteilt, dass le blond allemand entlassen sei. Ipso facto.

Es folgte, wie die Korrespondenten internationaler Nachrichtenagenturen versichern, ein hochministerielles Kommuniqué, in dem Schäfers Ablösung mit "schweren Fehlern und Abwesenheit von Resultaten" begründet wird. Iye selbst bestätigte dies gegen halb eins in der Lobby des Mannschaftshotels vor Journalisten.

Nur Schäfer hatte keine Mitteilung erhalten: "Ich habe das nur von Journalisten gehört", sagte er Donnerstagmittag. Zwölf Stunden zuvor, als es auf zwei Uhr morgens zuging, hatte er im Konferenzsaal Düsseldorf des Leipziger Hotels Lindner eine zehnköpfige Runde deutscher Journalisten um sich geschart und damit den größten Erfolg seines aufreibenden, letzten Arbeitstages als Nationaltrainer Kameruns erzielt: Eine Gruppe Fußballinteressierter hörte ihm zu.

Feilschen statt zuhören

Auch an sein Team hatte er einige Worte richten wollen, doch die Mannschaftsbesprechung fiel aus, "ich hatte nur zehn Minuten, um die Aufstellung an die Tafel zu malen". Seine Spieler hatten es vorgezogen, um die Antrittsprämie zu feilschen und, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, sogar mit einem waschechten Boykott gedroht.

Schäfer hat zwar nach eigenen Angaben seit vier Monaten kein Gehalt mehr erhalten, betätigte sich aber dennoch als Streikbrecher: "Ich habe ihnen gesagt: Wo ist Euer Patriotismus? Habt ihr kein Herz für euer Land?" Es fruchtete aber nur, dass Iye drei Stunden vor Spielbeginn doch auftauchte und die Börse aufmachte.

"Ich denke manchmal: Ich bin mehr Kameruner als alle anderen", sagte Schäfer. Und es legte sich ein heller Schein um seine Mähne, und ein erschüttertes Timbre schlich sich in seinen Ton, wie schon zuvor bei der Aufzählung der Unwägbarkeiten ("Mein Torwart hatte am Sonntag noch kein Flugticket!") und der Analyse des Spiels: "Ich habe mich geschämt!"

Kameruner Partyexpress

Bei den Kickern hielt sich diese Regung offenbar in Grenzen, zumindest tat die Pleite einer offenbar von langer Hand geplanten geselligen Zusammenkunft keinen Abbruch. Im Mannschaftsbus steuerten Kameruns Kicker gegen 1.00 Uhr eine Leipziger Disco an, eine nur fast geschlossene Teamleistung: Stürmer Samuel Eto'o (FC Barcelona) wurde in der Lobby vergessen, inmitten eines Ozeans an Fans, Verwandten und Wichtigtuern mit Herrschaftswissen und vorgeblich unwissenden Funktionären.

"Ich habe keine Lust auf Party", sagte wiederum Schäfer. Wahrscheinlich hat er den einen oder anderen Toast auf das Ende seiner Ära verpasst. Sein Gewissen betrachtet er aber als rein, "ich muss mich vor keinem Kameruner rechtfertigen", sagte er. Sein 2001 geschlossener Vertrag wurde unlängst überraschend bis 2006 verlängert, weil Kamerun in der WM-Qualifikation schlecht gespielt hat, galt er dennoch schon länger als Verurteilter.

Gegen die Theorie, dass das 0:3 von Leipzig ausschlaggebend war, spricht auch, dass vor dem Spiel die ersten Nachfolgekandidaten kontaktiert worden waren. Wie er die Ära Schäfer bewerte? "No comment", sagte Iye. Schäfer strickte derweil Komplotttheorien: "Es gibt Leute, denen die Niederlage in die Karten spielt."

Immerhin: Mangelndes verbales Engagement konnte er seiner Elf nicht vorwerfen: Mit dem Schiedsrichter rechnete der mit Gelb-Rot bedachte Djemba Djemba auch Stunden nach dem Spiel noch ab ("he was shit!"), und auch Roger Milla gab abstruse Gedankengebäude der Benachteiligung zum Besten: "Ist ja okay, wenn die Deutschen bevorteilt werden, aber so offensichtlich? Und muss der Schiedsrichter Eto'o drohen: Wir zwei seh'n uns noch in der Champions League?!?"

Fand Eto'o auch nicht so nett, "ich scheiß' auf die Hure, die Dich geboren hat!", warf er Massimo de Santis an den Kopf. Der Referee aus Italien sah durchaus so aus, als habe er den Gruß verstanden. So groß ist der Unterschied zwischen puta (span.) und puttana (ital.) dann doch nicht.

© SZ vom 19.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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