Juniorenfußball:Noch genug Pulver

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Von der U17 zur U23: Trainer Holger Seitz geht beim FC Bayern den Weg, den auch Tim Walter ging. Zuvor will er nach dem 3:0-Hinspielsieg im Halbfinale gegen RB Leipzig noch deutscher Meister werden.

Von Christoph Leischwitz

Entwicklung sei in diesem Alter wichtiger als Titel, sagt Holger Seitz. Wenn Junioren-Fußballer also Fortschritte machen, dann soll das vor allem langfristige Effekte haben. Es ist nun allerdings so, dass der 43-jährige Trainer schon seit drei Jahren beim FC Bayern München arbeitet, wo man dem Hochrecken von Pokalen und Schalen bekanntlich nicht abgeneigt ist - in keiner Altersklasse.

Und geht es irgendwann nicht auch mal um die eigene Entwicklung? Vor einem Jahr und drei Wochen hatte Seitz mit der U19 im Prinzip schon erreicht, was man erreichen konnte. Er hatte die Mannschaft ins Finale um die Deutsche Meisterschaft geführt, dort war ein Tor der Bayern nicht anerkannt worden, letztlich verlor das Team so, wie es ein Trainer kaum beeinflussen kann: im Elfmeterschießen. Vor über 34 000 Zuschauern bei Borussia Dortmund übrigens.

Seitz' ruhige Art trug dazu bei, dass sein Stellenwert am Campus unterschätzt wurde

Am Sonntag kann Seitz zumindest schon einmal den nächsten Schritt machen. Nunmehr als U17-Coach steht er kurz vor dem nächsten Finaleinzug, am Sonntag soll im Halbfinal-Rückspiel bei RB Leipzig die 3:0-Führung aus dem Hinspiel verteidigt oder besser: ausgebaut werden. Denn Seitz' Spielanlage und jene des FC Bayern ist auf weitgehend bedingungslose Offensive ausgerichtet. "Es wäre Wahnsinn, nur zu verteidigen", sagt Seitz mit Blick auf die Reise nach Sachsen. Im Finale erwartet man dann den Sieger des Duells zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund am heimischen Campus an der Ingolstädter Straße (das Hinspiel in Leverkusen endete 1:1).

Was also würde näher liegen als zu sagen: Jetzt würde ich aber endlich auch mal einen nationalen Titel gewinnen wollen?

Doch so einen Satz wird man von dem gebürtigen Niederbayern wohl nie hören. Es war nicht nur beim großen FC Bayern so, dass er seine eigenen Interessen meist unterordnete. Als Spieler von Darmstadt 98 war er einfach nur dankbar gewesen, dass man ihm trotz eines Kreuzbandrisses eine Vertragsverlängerung anbot. Beim des SC Fürstenfeldbruck, seiner letzten Station als Aktiver, übernahm er die undankbare Rolle, nach dem Abstieg in die Landesliga erstmals Trainer eines Teams zu werden, dem zahlreiche Leistungsträger abhandengekommen waren. Und als die Bayern Anfang Mai bekanntgaben, dass Seitz die Regionalliga-U23 übernimmt, da freute sich Seitz "sehr über das Vertrauen". Er freut sich auch, dass sein langjähriger Weggefährte Dirk Teschke weiterhin seinem Trainerteam angehören wird. Nicht mehr dabei sein wird allerdings Athletiktrainer Quirin Löppert, der sich dem Profikader von Borussia Mönchengladbach anschließt.

Die U17 des FC Bayern mit Ryan Johansson (oben) und Doppeltorschütze Jahn Herrmann (re.) hatte beim 3:0 gegen Leipzig viel zu feiern. (Foto: Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Vor einem Jahr hatte Tim Walter die U17 zur Meisterschaft geführt und danach die U23 übernommen. Seitz befindet sich nun in einer ähnlichen Lage wie sein Vorgänger: Die eine Mannschaft kämpft um die Meisterschaft, die andere startet in die Saison-Vorbereitung. Am Freitag zum Beispiel hatte Seitz gleich drei Trainingseinheiten zu leiten, um zehn, um 15 und um 18 Uhr. Doch ansonsten verbieten sich Parallelen zwischen Walter und seinem Nachfolger Seitz, denn es handelt es sich um zwei grundverschiedene Typen. Seitz' ruhige Art hat auch dazu beigetragen, dass man unterschätzt, wie sehr sein Ansehen am Campus des FC Bayern in der Zwischenzeit gestiegen ist.

Dazu passt auch, dass Seitz kein berühmter Erstliga-Kicker war. Als die Boulevard-Zeitungen meldeten, dass Miroslav Klose die U17 des FC Bayern übernehme, da hielt der aktuelle U17-Trainer Seitz still und wartete ab. Aber in einer gar nicht so schlechten Verhandlungsposition. Denn dass ihm einige Angebote von anderen Nachwuchsleistungszentren vorlagen, war auch den Bayern nicht entgangen. Letztlich wird Klose nun also U17-Trainer, weil Seitz befördert wird - nicht umgekehrt.

Vor dem Aufstieg: Holger Seitz. (Foto: Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Der Übergang vom Fußballprofi ins normale Leben war zunächst ein wenig holprig verlaufen. Zwischenzeitlich hatte er sich sogar mit Nebenjobs wie zum Beispiel an einer Tankstelle über Wasser halten müssen. In einem SZ-Interview hatte er einmal gesagt: "Ein Leben nur mit Fußball, da habe ich mein Pulver mittlerweile verschossen." Da hatte er sich offensichtlich unterschätzt, denn als Trainer startete er recht schnell durch. Er arbeitete für den Bayerischen Fußball-Verband und als Co-Trainer auch in der Jugend des DFB.

Technisch sind die U-Teams gut genug für Ballbesitz-Fußball, taktisch oft noch nicht

Beim FC Bayern hat er nun einen klaren Auftrag: Die jungen Spieler sollen in Sachen Ballbesitz-Fußball geschult werden. Für viele Spielanteile sind die Mannschaften meist schon technisch gut genug, immer wieder werden aber taktische Schwächen deutlich. Die U17 etwa hätte beinahe noch die Meisterschaft in der Süd-Südwest-Staffel verspielt, als man Ende April gegen Verfolger Hoffenheim zu Hause in Konter lief und 1:3 verlor.

Gegen Leipzig, ebenfalls ein Team, das gerne seine Schnelligkeit ausspielt, wirkte die U17 schon deutlich weniger anfällig: "Wir wussten ja, wie Leipzig spielt, also wollten wir vier, fünf attackierende Spieler mit hohen Bällen überspielen", erklärt Seitz. Allerdings erwartet er von Leipzig im Heimspiel noch mehr "offensive Wucht". Doch mit dem Defensivverhalten seiner Jungs sei er schon einmal sehr zufrieden gewesen. Insofern ist schon jetzt eine Entwicklung zu erkennen. Eine, die Seitz zu einer deutschen Meisterschaft verhelfen könnte. Es geht ja nicht nur um Entwicklung, es geht auch um Ansprüche. Und diese werden bei der U23 nicht geringer. Die Mannschaft soll in der kommenden Saison um die Meisterschaft spielen.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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