Jan Ullrich:Keine Langeweile in Montecarlo

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Jan Ullrich meldet sich wieder gesund - sein Team sucht derweil den Erfolg und fürchtet die kommenden Herausforderungen.

Andreas Burkert

Dem Besucher des Dorfes Montecarlo in der Provinz Lucca stehen elf Restaurants und drei Pizzerien zur Verfügung, doch Jan Ullrich und Rudy Pevenage werden wohl heute Abend wieder in ihrem Landgasthaus sitzen, in welchem sie seit einigen Jahren regelmäßig absteigen während ihrer Trainingsaufenthalte - die Herberge verfügt über eine exzellente Küche.

Für Dienstagabend hatten der deutsche Radprofi und sein belgischer Betreuer ihre Ankunft in der Toskana angekündigt, doch die kulinarischen Vorzüge der Region wird der gefürchtete Gourmet Ullrich trotz der Verlockungen nun ohnehin vernachlässigen müssen. Denn von diesem Mittwoch an soll endlich seine Saison beginnen.

Reizung an der Kapsel im Knie

Vor zwei Wochen hatte der Tour-Sieger von 1997 seine Rennpremiere bei der Sarthe-Rundfahrt in Westfrankreich stornieren müssen, nachdem die Teamärzte eine Reizung an der Kapsel in seinem rechten Knie diagnostiziert hatten.

T-Mobile-Teammanager Olaf Ludwig ist vergangene Woche bei seinem Sorgenkind in dessen Schweizer Domizil am Bodensee gewesen. Gestern sagte Ludwig: "Jan ist schmerzfrei, er ist voll belastungsfähig, die Sache ist ausgestanden."

Das muss sie auch, wenn Ullrich das Saisonziel verwirklichen möchte: seinen zweiten Sieg bei der Frankreichrundfahrt im Juli. Obwohl der Rostocker in den Wintermonaten von Dezember bis Februar nach Angaben seiner Begleiter gute Grundlagen gelegt haben soll, würde ihn eine weitere Verzögerung wohl kaum reparable Nachteile im Vergleich zur bereits seit Wochen im Peloton schuftenden Konkurrenz bescheren.

Doch Ludwig wie Pevenage bestätigten am Dienstag zuversichtlich den beabsichtigten Fahrplan. Ullrich soll demnach am 25. April bei der anspruchsvollen Tour de Romandie in der Schweiz sein Renndebüt geben, und auch die Härteprüfung beim dreiwöchigen Giro d'Italia (6. bis 28. Mai) ist weiterhin fix vorgesehen.

"Sehr motiviert"

Die Witterungsbedingungen am Bodensee hatten Ullrich zwar zuletzt zu einem stetigen Pendeln zwischen seiner im Keller installierten Höhenkammer und den Strecken rund um Scherzingen gezwungen. Trotzdem hat sich der 32-Jährige nach einer aktiven Rehaphase mit einem vorgegebenen Pensum zwischen 150 und 180 Watt wieder auf Werte um 400 Watt steigern können.

"Es sieht gut aus, und er ist sehr motiviert", versichert Ludwig. Ullrich habe in den vergangenen Tagen wieder beschwerdefrei über jene Schmerzgrenze gehen können, an deren Schwelle er Anfang und Ende März Schmerzreaktionen verspürte.

Am heutigen Mittwoch wollen Ullrich und Pevenage mit dem italienischen Sportarzt Luigi Cecchini (Lucca) die weiteren Trainingspläne ausarbeiten.

Den Nachweis der Belastbarkeit hat Ullrich ("ich bin optimistisch, dass ich an der Tour de Romandie teilnehmen kann") nun also in knapp zwei Wochen in der Westschweiz zu erbringen. Teamchef Ludwig wird bis dahin nicht langweilig werden, denn die laufende Klassikersaison bereitet ihm genug Arbeit.

Und auch Sorgen, denn die sportlichen Schlagzeilen gehören in diesen Tagen eher dem nationalen Mitbewerber Team Gerolsteiner. Der Gesamtsieg Stefan Schumachers bei der Sarthe-Rundfahrt ist bereits der achte Saisonsieg des zweiten deutschen ProTour-Rennstalls gewesen.

T-Mobile verbuchte jüngst zwar vordere Positionen, etwa von Patrik Sinkewitz oder Sergej Gontschar, zwei potenziellen Tourstartern; doch die eigenen Ansprüche bei den wertvollen Frühjahrsklassikern vermochten Ludwigs Männer bisher nicht zu erfüllen.

"Das, was wir bisher geleistet haben - von den Ergebnissen her und auch von der Fahrweise", räumt Ludwig ein, "das ist enttäuschend, und unsere vielen Verletzungen und Stürze sind dafür nicht die alleinigen Gründe."

Der Mannschaft fehle "die Geschlossenheit, und wir haben sicherlich keine Top-Siegkandidaten". Andreas Klier als Neunter bei der Flandernrundfahrt und am Sonntag der (zuvor angeschlagene) Roubaix-Spezialist Steffen Wesemann als ordentlicher Sechster des Kopfsteinplaster-Klassikers erfüllten in etwa die Erwartungen - mehr jedoch nicht.

Ob die Komposition des Teams Fehler aufweise, möchte Ludwig noch nicht beantworten: "Ich muss mich schon fragen, inwieweit ich mit dieser Mannschaft Erfolg habe", entgegnet er, "aber das tue ich nicht jetzt."

Denn das Frühjahr ist ja noch nicht beendet, Ostersonntag etwa geht es weiter mit dem Amstel Gold Race in Holland, am Montag schließt sich das zumindest prestigeträchtige Rennen "Rund um Köln" an. Und im Rheinland gibt es offenbar ein Wiedersehen mit Erik Zabel, der zusammen mit seinem italienischen Kompagnon Alessandro Petacchi einen Erfolg für die neue Milram-Equipe anstrebt.

"Mit den beiden sind sie natürlich Favorit", ahnt Olaf Ludwig, "im Sprint werden wir da keine Chance haben - da werden wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen müssen."

© SZ vom 12.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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