Jaksche-Fazit zur Tour de France:"Ich habe Fuentes' Handschrift wiedererkannt"

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Beobachtungen seines früheren Kollegen Jörg Jaksche erhärten den Verdacht, dass auch Contador Kunde des Dopingarztes war.

Andreas Burkert

Jörg Jaksche, 31, hat eine Woche vor dem Tourstart mit seinem Dopinggeständnis für Aufsehen gesorgt. Zuletzt gab der Franke seine Kenntnisse über die Dopingsysteme im Radsport in stundenlangen Sitzungen an Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt weiter. Auch zum Toursieger kann er Auskunft geben, denn Alberto Contador fuhr wie Jaksche jahrelang bei Teamchef Manolo Saiz (Once, dann Liberty Seguros). Und dort wurde mithilfe des früheren Kelme-Teamarztes Fuentes systematisch gedopt, wie die Operacón Puerto aufdeckte.

Fühlt sich angesichts der Tour-Ergebnisse an die Vergangenheit erinnert: Jörg Jaksche. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Jaksche, Alberto Contador fuhr ab 2002 bei Manolo Saiz, damals noch im Juniorenteam. Wie haben Sie ihn damals kennengelernt?

Jaksche: Er kam als junger Fahrer, er war sicher talentiert und wurde früh Profi. Aber berauschend waren seine Ergebnisse auch wieder nicht, und wenn ich jetzt seine Tour sehe, muss ich sagen: Großes Kino.

SZ: Was empfanden Sie, als Sie Rasmussen und Contador die Berge hochrasen sahen, am Plateau de Beille waren sie sogar schneller als einst Lance Armstrong.

Jaksche: Die Unterschiede sind frappierend. Dort eineinhalb Minuten schneller zu sein als Armstrong in seinen besten Zeiten - das sind Welten. Wir reden ja nicht von einem Jaksche, der nochmal anderthalb Minuten langsamer war. Da sag' ich: Mein lieber Scholli!

SZ: Sie haben ausgesagt, Liberty Seguros sei systematisch gedopt gewesen.

Jaksche: Ja. In den Akten ist übrigens auch ausdrücklich erwähnt, dass die U23-Mannschaft ebenfalls schon Wachstumshormone und Testosteron erhielt.

SZ: Demnach auch Contador, der zudem in den Akten der Guardia Civil unter dem Kürzel A.C. geführt wird?

Jaksche: Ich habe natürlich niemals direkt gesehen, wie Contador gedopt wurde. Und ob er jetzt sauber ist, weiß wohl nur er. Wenn du allerdings nicht gerade verweiblicht gewesen bist, gab es damals wohl keinen anderen Grund als Doping, um zum Gynäkologen Fuentes zu gehen. Ich kann für mich sagen, dass ich "J.J." aus dem Dokument 31 (siehe Ausriss) bin und gedopt habe, wie es dort steht.

SZ: Was ist das für ein Zettel?

Jaksche: Ich habe dieses Dokument damals nicht persönlich bekommen, aber inzwischen kenne ich es aus meinen Akten. Ich gehe davon aus, dass es sich um einen Medikationsplan für die Tour-Mannschaft von Liberty von 2005 handelt. Den dürfte Fuentes an einen unserer drei Mannschaftsärzte gefaxt haben. Ich habe jedenfalls auf diesem Zettel Fuentes' Handschrift wiedererkannt.

SZ: Wenn man die neun Kürzel auf dem Dokument von R.H. wie Roberto Heras bis A.C. wie Alberto Contador abgleicht, kommt man in der Tat auf das komplette Liberty-Tourteam 2005. Hinter A.C. steckt demnach wirklich Contador, obwohl er das abstreitet?

Jaksche: Zumindest liegt dieser Schluss doch sehr nahe.

SZ: Wie erklären Sie sich, dass Contadors Name trotzdem nicht mehr auf der aktuellen Fuentes-Liste der UCI steht?

Jaksche: Schwer zu sagen. Die UCI behauptet ja, sie habe dieses Dokument 31 nicht. Dabei hatte doch auch sie ihn identifiziert, so steht es jedenfalls in ihren Unterlagen, die ich gesehen habe.

SZ: Es ist von einer sehr spanischen Kronzeugenregelung die Rede, Contador soll kooperiert haben. Mit wem? Schweigen deshalb seriöse Blätter wie El País?

Jaksche: Wenn das so wäre, könnte man das nicht als Kronzeugen-Regelung titulieren. Das wäre eher ein komischer Deal. Denn welcher Spanier wurde denn belangt? Die einzigen, die aufgeflogen sind, sind Ullrich, Basso, Jaksche und Saiz mit seinen paar Hanseln. Die Polizei hat sauber gearbeitet, aber offenbar werden Namen gefiltert und herausgenommen. Von den 250 Blutbeuteln sind doch 150 noch nicht identifiziert, warum? Vielleicht müsste die Wada oder von mir aus auch das Bundeskriminalamt mal dort Anträge stellen. Spanien ist das Problem vielleicht zu groß geworden, weil es sich wohl nicht nur auf Radsport beschränkt.

SZ: Auch von A.C. soll es in Barcelona einen Blutbeutel geben?

Jaksche: Und es würde mich nicht wundern, wenn er nun verschwunden wäre.

SZ: Unter den 23 Tour-Besten befinden sich 13 Spanier. Was sagt Ihnen das?

Jaksche: Nördlich der Pyrenäen fehlt es uns wohl am richtigen Gen. Nein, es gibt in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Antidoping-Systeme. Und im Gegensatz zu den traditionellen Systemen arbeiten die französischen und deutschen Teams schon sehr gut. Sie brechen die alten Strukturen ein, und das ist gut für den Radsport. Ich kann und will mich nicht als Antidopingkämpfer aufspielen, aber es wäre gerade aus diesem Grund wünschenswert, wenn die neuen Köpfe und Sponsoren an Bord bleiben würden.

© SZ vom 30.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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