Italien:Im Auftrag der Mafia

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Mit Hilfe neofaschistischer Tifosi und mittels massiver Drohungen wollte ein ehemaliger Spieler Lazio Rom kaufen.

Birgit Schönau

Es geht um Erpressung, Morddrohungen und Geldwäsche, um Neofaschisten und einen der blutrünstigsten Clans der neapolitanischen Camorra. Und es geht um Lazio Rom.

Der im Jahr 1900 gegründete Klub ist in eine monströse Geschichte verwickelt, die sich laut Staatsanwaltschaft so darstellt: Der Camorra-Clan der Casalesi versucht, über einen ehemaligen Lazio-Profi 24 Millionen Euro zu waschen.

Die Paten wollen das Geld dort investieren, wo sie es noch nie gewagt oder gewollt haben - in die erste Liga. Mafiageld für Klubs hat es in den unteren Ligen immer wieder gegeben, doch die Serie A war für das organisierte Verbrechen bislang tabu. Zu riskant, zu gefährlich. Lazio Rom ist eine Aktiengesellschaft.

Mafiageld in der ersten Liga

Die Casalesi haben schon ganz andere Nüsse geknackt. Ihr Clan beherrscht die Gegend nördlich von Neapel. Sie dirigieren das Business mit dem Müll. Ihnen unterstehen in dem tristen, von stinkenden Kanälen durchzogenen Landstrich die Deponien - auch jene, die über Nacht ausgehoben und schnell wieder zugeschüttet werden, weil sie Giftmüll schlucken.

In den letzten Wochen stapelten sich rund um Neapel die Abfälle, sie wurden nicht abgeholt, weil die Regionalpolitiker es Leid waren, sie der Mafia zu überlassen. Am Ende mussten die Politiker klein beigeben. Deponien, die mit richterlicher Befugnis geschlossen worden waren, wurden wieder geöffnet.

Ein Schriftsteller, der einen Bestseller über den Müll und die Mafia geschrieben hat, musste vergangene Woche unter Polizeischutz gestellt werden.

Was hat das mit Fußball zu tun, könnte man fragen. Gemach. In Rom hat alles mögliche mit Fußball zu tun, so lange man den römischen calcio nicht als Sport missversteht.

Sowohl der AS Rom als auch Lazio hatten vor nicht allzu langer Zeit Klubpräsidenten im Gefängnis. Die Antiterroreinheit Digos steht in den Fankurven beider Klubs. Im Olympiastadion wird randaliert wie weiland im Kolosseum, manche Spieler wähnen sich als Nachfahren der Gladiatoren. Dass aber Long John mit der Mafia verbandelt sein soll, hat die Römer dann doch geschockt.

Long John ist der Spitzname von Giorgio Chinaglia. Für Lazio hat Chinaglia weiland so viele Tore geschossen, dass der Klub 1974 Meister wurde.

Prügel von "Long John" Chinaglia

Seither war der heimgekehrte Sohn italienischer Gastarbeiter das Idol der Laziali. In der Nationalmannschaft brachte der Stürmer es auf 14 Einsätze, dann wurde er ausgemustert, weil er seinen Trainer zum Teufel geschickt hatte.

Auch bei Lazio galt Chinaglia als ausgesprochen rabiat. Einen Teamkollegen, der ihm den Ball nicht richtig zugespielt hatte, verprügelte er einmal noch auf dem Platz.

Nach sieben Jahren in Rom ging Long John 1976 zu Cosmos New York. Dort schien er zum Gentleman gereift, und als er in den achtziger Jahren wieder in Italien auftauchte, wurde er bei Lazio gleich Präsident. Die Sache ging jedoch gründlich schief, der Klub stieg ab und Chinaglia kam erstmals vor Gericht - wegen betrügerischen Bankrotts und Bilanzfälschung.

Jahre später stieg Long John beim apulischen Klub Foggia ein. Auch damals sei schmutziges Geld geflossen, argwöhnten die Staatsanwälte. Beweisen konnten sie es nicht.

Jetzt aber läuft gegen Chinaglia ein internationaler Haftbefehl. Long John sitzt in New York, beteuert seine Unschuld und kündigt an, bald nach Italien zu kommen, um sich zu verteidigen.

Das dürfte jedoch schwierig werden. Die römische Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass Chinaglia für den Clan der Camorra seinen alten Klub übernehmen und den derzeitigen Besitzer Claudio Lotito mit Hilfe rechtsextremer Tifosi zum Verkauf zwingen wollte. Vorgeblich hatte Chinaglia von ungarischen Investoren geredet. Bis aus Budapest die Dementis kamen.

Die Ultras, so scheint es, haben sowieso nicht nachgefragt. Vier Anführer der ,,Irriducibili'' (Unbeugsamen) sitzen bereits in Untersuchungshaft. Unter ihnen Fabrizio Toffolo, der vorbestrafte ,,König der Nordkurve''. Nach sechs Jahren Stadionsperre, in denen er die Kurve per Handy dirigieren musste, durfte Toffolo im letzten Frühjahr wieder ins Stadio Olimpico einziehen.

Drohbriefe vom "König der Nordkurve"

Seine neugewonnene Freiheit nutzte der vierschrötige Römer, um Klubpatron Lotito massiv zu bedrohen. ,,Ich habe nur ein Ziel'', soll Toffolo laut La Repubblica in einem abgehörten Telefonat gesagt haben, ,,Lotito muss aufgeben und basta''.

Der Klubpräsident erhielt anonyme Drohbriefe. ,,Wir haben deine Frau im Visier'', stand in einem, und: ,,Erinnerst du dich an den Circeo?'' Das Verbrechen am Monte Circeo war einer der brutalsten Kriminalfälle im Rom der siebziger Jahre: Vergewaltigung und Mord durch eine Bande von Neofaschisten.

Toffolo und seine Kumpane ließen sich gern von Chinaglia einspannen. Von ihm erhofften sie sich jene Zugeständnisse, die ihnen Lotito verweigert hatte. Die Führer der 7000 ,,Irriducibili'' sind alles andere als normale Tifosi. ,,Wir gehen nicht nur ins Stadion, um ein Fußballspiel zu sehen'', hat Fabrizio Toffolo einmal gesagt, ,,wir wollen auch unseren politischen Standpunkt vertreten.''

,,Ihr armen Narren''

Das ist das eine. In erster Linie sind die Ultras aber Geschäftsleute. Ihre in China produzierten Fanartikel verkaufen sie in 14 Geschäften in Rom. Im letzten Jahr lief der Umsatz schleppend: Lotito steht zwar politisch durchaus rechts, für die Geschäfte von Toffolo und Co. kam jedoch von ihm keine Unterstützung.

Der Reinigungsunternehmer will mit den Schmuddelkindern aus der Kurve nichts zu tun haben. Mit Chinaglia aber, so schwärmte Toffolo in einem anderen Telefonat, ,,ziehen wir auf die Ehrentribüne. Denn ich bin eine Macht, so einfach ist das''.

Am Sonntag hat Lazio gespielt. Es gab ein 0:0 gegen Cagliari. Claudio Lotito saß auf der Ehrentribüne. Die ,,Irriducibili'' in der Nordkurve pfiffen ihn aus. Auf Spruchbändern forderten sie die sofortige Freilassung ihrer Führer: ,,Nur schuldig, Lazio zu lieben.''

Da geschah das Unerhörte. Der Rest des Publikums applaudierte Lotito. Applaudierte jenem Präsidenten, der durch Schiedsrichtermanipulation seinen Klub gerade erst an den Rand des Abgrunds gebracht hatte. Aber was sind solche Mauscheleien gegen Geschäfte mit der Mafia?

,,Buffoni'', schrien die Laziali gegen die Nordkurve, ihr armen Narren! Es war ein zorniges Aufbegehren, vielleicht sogar ein Befreiungsschlag. Und da endlich schwieg die Kurve.

© SZ vom 17.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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