Ironman Hawaii:Carbon über der Lava

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Trotz Partystimmung und moderner Technik bleibt der Ironman auf Hawaii ein Kampf gegen Naturgewalten. Am Wochenende stürzen sich rund 1500 harte Athleten erneut in diesen Kampf.

Frank Ketterer

Draußen auf dem langen, weiten Highway kommt es Thomas Hellriegel manchmal vor, als sei die Zeit stehen geblieben. Dort draußen, in den pechschwarzen Lavafeldern rund um Kona, wo der Wind bläst und die Sonne brennt, dort draußen, sagt Thomas Hellriegel, könne er nicht sagen, "welches Jahr wir gerade haben".

Auch Normann Stadler ist beim legendären Ironman auf Hawaii mit dabei. (Foto: Foto: dpa)

Die Gewalten der Natur, soll das heißen, sind zeitlos - und sie sind unvermindert mächtig. Es gab schon Jahre dort draußen, da wehte der Mumuku, dieser scharfe Wind vom Pazifik, die Sportler fast von ihren Rädern, später am langen Tag dann, beim Marathon, drohte sie die stechende Erbarmungslosigkeit der Hitze beinahe auszudörren. Es gibt jedenfalls, wenn's denn schon sein muss, angenehmere Orte und Bedingungen, um 3,8 Kilometer zu schwimmen, 180 Kilometer Rad zu fahren und dann auch noch 42,195 Kilometer zu laufen, aber Hellriegel kann mit dieser Sicht der Dinge nicht viel anfangen. Er sagt: "Der Ironman Hawaii ist ein Mythos'' - und weil er diesen Mythos just vor zehn Jahren als erster Deutscher gewinnen konnte, fügt der 36-Jährige zudem an: "Hawaii ist der Ort, an dem ich mir meinen Traum erfüllt habe.''

Das klingt seltsam verklärend und romantisierend aus dem Mund eines modernen Sportlers, der die Werte seines auf Höchstleistungen getrimmten Körpers und ihre Entwicklung so akribisch überwacht und notiert wie ein Buchhalter seine Bilanzen. Und auch Hellriegel, der an diesem Samstag zum 13. Mal auf Big Island startet, ist nicht entgangen, dass sich der Wettbewerb am Ort seiner Träume verändert hat im Laufe der Jahre und die Menschen, die dort starten, nicht minder. Bunter ist es geworden, auch schriller, trendiger könnte man fast sagen. Der Ironman Hawaii ist längst auch zu einer Art Oktoberfest für Ausdauerfreaks aus aller Welt geworden.

Vor allem aber: Die Menschen sind viel leistungsfähiger als einst. Früher war dieses Rennen für die meisten von ihnen auch ein unwägbares Abenteuer, und wenn sie bei Sonnenaufgang in der Bucht von Kona in den Pazifik gestiegen sind, wussten sie nicht, wie der lange Tag für sie enden würde. Heute hingegen haben die meisten der rund 1500 Starter vier, fünf, meist sogar mehr Ironman-Rennen hinter sich gebracht, auf Anhieb schafft kaum noch einer die Qualifikation. Die Athleten wissen, dass sie eisern genug sind, um die 226 Kilometer lange Prüfung zu bestehen, im schlimmsten Fall dauert es im Glutofen rund um Kona eben ein bisschen länger als anderswo.

"Es ist prinzipiell professioneller geworden'', findet Thomas Hellriegel - und natürlich haben die Profis im Feld daran den größten Anteil. Längst donnern die Athleten nicht mehr auf Aluminium-Rädern über den Highway, sondern auf Zeitfahrmaschinen aus Carbon; auch Hellriegels aktuelles Bike ist rund zwei Kilo leichter als jenes, mit dem er einst gewann. Früher, erzählt der Mann aus Büchenau bei Bruchsal, hätten sich die Athleten einfach einen Triathlonlenker aufs Rad geschraubt und seien losgebrettert; heute seien aerodynamische Tests im Windkanal üblich, zumindest bei den Profis. Beim Schwimmen wiederum sind Wetsuits groß im Kommen, die Anzüge, die den Wasserwiderstand verringern.

Die Moderne, so könnte man sagen, hat Einzug gehalten im Mythos, und natürlich hat sie ihn auch verändert. Aber Hellriegel findet, dass das nur die halbe Wahrheit sei. Die andere liege immer noch da draußen, irgendwo auf diesem verdammten Highway. "Durchs Lavafeld muss sich immer noch jeder selbst kämpfen'', sagt der 36-Jährige - auch das modernste Material helfe ihm nicht weiter im Kampf gegen die Urgewalten der Natur. Dass die Quote derer, die es nicht ins Ziel schaffen, in den letzten Jahren immer geringer geworden sei, liege, neben aller hinzugewonnener Fitness, eben auch daran, dass die Bedingungen zuletzt erstaunlich milde gewesen seien. "Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Inselgötter mal wieder richtig zürnen'', sagt Hellriegel. Dann, glaubt er, "werden sich einige wundern. Dann bekommen die Leute wieder Respekt vor Hawaii."

Ohne Respekt vor dem Rennen, das steht für Hellriegel außer Frage, gibt es auch für die Profis keinen Blumenkranz zu gewinnen auf Big Island. "Für dieses Rennen muss man mehr Opfer bringen als für jedes andere'', sagt der 36-Jährige, er selbst ist dafür das beste Beispiel. Zwei Mal war er, jeweils abgefangen kurz vor dem Ziel, Zweiter geworden, ehe er 1997 gewann. Auch Normann Stadler (Sieger 2004 und 2006) und Faris Al-Sultan (2005), die weiteren deutschen Champions auf Hawaii und auch in diesem Jahr im engsten Favoritenkreis, mussten erst Lehrgeld zahlen, bevor sie triumphierten. "Man muss den Mythos akzeptieren, um hier gewinnen zu können'', sagt Thomas Hellriegel. Daran hat auch die Moderne nichts geändert.

© SZ vom 12.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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