Irak:Wenn die Gewalt den Fußball besiegt

Lesezeit: 2 min

Sein Traum war es, als Trainer mit dem Irak bei der WM 2006 in Deutschland zu spielen. Doch die schweren Kämpfe zwingen Bernd Stange in seine Heimatstadt Jena zurück. Erstmals denkt er über ein Ende seiner Tätigkeit als Nationalcoach im Irak nach.

Am Ende hat Bernd Stange dem Druck doch stattgegeben. "Das Außenministerium und der Botschafter in Bagdad haben mich aufgefordert abzureisen", sagte der Trainer der irakischen Fußball-Nationalmannschaft. Am Donnerstagabend, nach einem Testspiel der irakischen Olympia-Auswahl in Kuwait, ist er zurück nach Deutschland geflogen.

Die kriegsähnliche Situation habe sich in den vergangenen Wochen in und um Bagdad dramatisch zugespitzt, ein Trainings- oder Spielbetrieb sei nicht mehr zu Stande gekommen, erzählt er.

Zurück in der Heimat, in Jena, ist Bernd Stange ins Grübeln gekommen, die Entführungen von Ausländern und die bürgerkriegsähnlichen Zustände bedrohen auch ihn.

Blair und Berlusconi beantworteten seine Briefe

Bei einer weiteren Verschlechterung der Lage müsste ich mir nach den Asienspielen im Juli Gedanken über meine Zukunft im Irak machen", erklärte der 56-jährige frühere DDR-Auswahlcoach. "Eine Aufgabe wäre das aber nicht", sagt er.

Die Nationalmannschaft ("Die Spieler betteln, dass ich weitermache.") weiß von der aktuellen Entwicklung noch nichts. Erst am 15. Mai wird Stange in London bei einem Trainingslager wieder auf sein Team treffen. Mit emotionalen Briefen hatte sich der Sportlehrer an die Regierungschefs der Welt gewandt. Reaktionen kamen aus London und Rom.

Englands Premierminister Tony Blair versprach dem Irak ein zweiwöchiges Trainingscamp inklusive einer Übungseinheit mit der englischen Nationalmannschaft Ende Mai. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi sagte ein Testspiel gegen die "Squadra Azzurra" am 4. Juni in Florenz zu.

Vom Telefon aus kann man keine Mannschaft trainieren

Bis nach Abschluss des Asien-Cups Ende Juli will der gebürtige Thüringer auf jeden Fall im Amt bleiben, zur Not auch aus der deutschen Heimat.

"Man kann eine Mannschaft aber auf Dauer nicht vom Telefon aus trainieren", weiß der ehemalige DDR-Auswahlcoach. Seit dem Kriegsbeginn vor gut einem Jahr hatte Stange um seine Mission gekämpft und immer wieder von seinem großen Traum von der Teilnahme an der WM 2006 in Deutschland erzählt.

Die Zwangsrückkehr nach Jena ist ein empfindlicher Rückschlag. "Auch meine Kräfte schwinden", sagte Stange.

Am 16. Januar hatte Stange in Bagdad eine neue lokale Meisterschaft ins Leben gerufen, die nicht bis zum Ende ausgetragen werden konnte. "Die Spieler kamen unregelmäßig. Es gab kein Wasser für die Rasenplätze, selbst an Trikots mangelte es. Viele spielten in geschenkten Hemden von Ajax Amsterdam. Das war ein seltsamer Anblick", so Stange.

WM 2006 in Deutschland - das große Ziel

In der Asien-Qualifikation für die WM 2006 in Deutschland hat die irakische Nationalmannschaft gute Chancen auf das Erreichen der zweiten Runde, auch wenn alle Spiele auswärts ausgetragen werden müssen. "Vor jedem Auswärtsspiel benötigen wir etliche Stunden, um aus Bagdad herauszukommen. In der Regel fahren wir auch an Falludscha vorbei, dort nehmen die Kontrollen viel Zeit in Anspruch."

Zurzeit werden die National- und die Olympiamannschaft, die sich noch Chancen auf die Qualifikation für Athen ausrechnet, von arabischen Co-Trainern betreut.

Stange selbst hält sich in seiner Heimatstadt Jena auf und beschäftigt sich mit der Vermarktung eines neuen Buches. "Trainer zwischen den Welten" heißt es.

© sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: