IOC sperrt Athleten auf Lebenszeit:Die härtesten Strafen in der Geschichte

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"Wir haben uns die Entscheidung nicht leichtgemacht, aber sie ist einstimmig gefallen", sagte IOC-Vize Thomas Bach. Die sechs Österreicher dürfen nie wieder in irgendeiner Funktion - Athlet, Trainer oder Betreuer - an den Olympischen Spielen teilnehmen.

14 Monate nach den Winterspielen von Turin 2006 hat das Internationale Olympische Komitee sechs österreichische Teilnehmer wegen Dopings auf Lebenszeit von Olympia ausgeschlossen und so mit demonstrativer Härte auf einen der größten Skandale seiner Geschichte reagiert. Das Urteil ist ein Schock für die Kandidatur Salzburgs um die Winterspiele 2014, die Anfang Juli vergeben werden.

Lebenslang gesperrt: Wolfgang Perner. (Foto: Foto: dpa)

Die Entscheidung der IOC-Exekutive gaben Präsident Jacques Rogge und sein Vize Thomas Bach am Mittwoch in Peking bekannt. Das Gremium folgte damit dem Antrag der vom Tauberbischofsheimer Bach geleiteten Disziplinarkommission, der noch die Exekutivmitglieder Denis Oswald (Schweiz) und Sergej Bubka (Ukraine) angehören. Österreichs NOK und die betroffenen Athleten wurden um 12.30 Uhr MESZ (18.30 Uhr Peking-Zeit) per Fax informiert, unmittelbar nachdem Rogge seine Unterschrift unter das Urteil gesetzt hatte.

"Wir haben uns die Entscheidung nicht leichtgemacht, aber sie ist einstimmig gefallen", sagte Bach, Fecht-Olympiasieger von 1976. Das ungewöhnlich hohe Ausmaß der Strafe zeige, "wie ernst wir den Fall bewerten". Dieser Auffassung sei die 15-köpfige Exekutive gefolgt. Rogge sprach von "einem traurigen, aber notwendigen Signal für sauberen Sport".

Die "schärfsten Sanktionen, die das IOC je verhängt hat" (Bach) betreffen je drei Biathleten und Langläufer. Sie gelten des Besitzes und der gemeinschaftlichen Nutzung von Dopingmitteln (Bach: "Komplizenschaft") als überführt und dürfen - ein Novum - in keiner Funktion bei künfigen Spielen mehr auftreten. "Das IOC ist der Ansicht, dass eine solche Mentalität bei Olympia nicht zu akzeptieren ist", sagte Bach.

Es handelt sich um die Biathleten Wolfgang Perner, Friedrich Pinter und Wolfgang Rottmann sowie die Langläufer Roland Diethard, Johannes Eder und Martin Tauber. Das Verfahren gegen den ebenfalls unter Verdacht stehenden Langläufer Christian Hoffmann, Olympiasieger 2002, wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Vier Stunden vor Rogges Urteilsverkündung im Hotel Shangri-La hatte sich die Mozart-Stadt Salzburg noch auf dem internationalen Sportkongress im Saal nebenan als Bewerber 2014 vorgestellt. Die Präsentation war die emotional überzeugendste, unmittelbar danach verließ Österreichs NOK-Chef Leo Wallner Peking mit strahlendem Gesicht Richtung Heimat. Von dem Ausgang der IOC-Entscheidung hatte er zum Zeitpunkt seiner Abreise noch nichts gewusst.

Österreichs NOK-Generalsekretär Heinz Jungwirth sagte in einer ersten Reaktion: "Das waren Aktivitäten von Einzelnen, das hat der Bewerbung sicher keinen Schaden zugefügt." Auch Rogge und Bach äußerten als "private Ansicht", dass Salzburgs Chancen nicht beeinträchtigt seien.

Trotz dieser diplomatischen Aussagen tickt die Zeitbombe für Salzburg weiter, denn die IOC-Ermittlungen dauern an. Für Anfang Mai sind mehrere Vertreter der Mannschaftsführung nach Lausanne geladen. Sollten sie in den Skandal verstrickt sein, wäre das Debakel perfekt. Österreichs NOK war bereits nach dem Fall Walter Mayer 2002 in Salt Lake City verwarnt worden, weil es seiner Aufsichtspflicht nicht genügt hatte.

Der ehemalige Cheftrainer Mayer, der für acht Jahre von Olympia ausgeschlossen worden war, hatte sich dennoch - angeblich als Privatperson - in einem Ausweichquartier Austrias bei Turin einquartiert. Bei einer Razzia der italienischen Polizei war während der Spiele umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. Der Bericht ging dem IOC jedoch erst Anfang des Jahres zu.

Die Beweise für "organisierten gemeinschaftlichen Betrug" erwiesen sich als erdrückend. "Ein ganzes Labor war aufgebaut, von Spritzen bis Blut-Testgeräten und Dopingmitteln war alles vorhanden", berichtete Bach. Ein Hämoglobin-Messgerät sei in zehn Tagen 59-mal von verschiedenen Personen benutzt worden.

Unter diesen Umständen sei es "nahezu ausgeschlossen, dass der eine nicht wusste, was der andere tat." Man habe dieses "erschreckende Ausmaß an krimineller Energie zumal in einer eher mittelklassigen Mannschaft" bislang nicht für möglich gehalten. Keiner der beschuldigten Sportler war zur Anhörung vor dem Bach-Ausschuss in Lausanne erschienen, von allen lagen nur schriftliche Erklärungen ihrer Anwälte vor. Aus Sicht der Kommission konnte der massive Dopingverdacht somit nicht entkräftet werden. Dies aber ist laut IOC-Charta und Welt-Antidoping-Code alleinige Pflicht der Athleten. Dagegen stellte sich ein Athlet aus Liechtenstein, der im Ausweichquartier Gastrecht genoss, als Zeuge zur Verfügung.

Nach vorläufiger Festnahme und Wiederfreilassung waren Mayer, Perner und Rottmann aus Turin geflüchtet. Die bei zehn Aktiven nachträglich vorgenommenen Dopingtests hatten sämtlich negative Ergebnisse gebracht.

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