Interview mit Dieter Ruthenberg:Eule und Seelenmasseur

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Dieter Ruthenberg ist Betreuer und Masseur beim Team T-Mobile. Sein Arbeitstag endet erst, wenn seine Fahrer im Bett liegen.

Interview: Andreas Burkert

SZ: Herr Ruthenberg, jetzt ist es zehn Uhr abends, und die Profis von T-Mobile sind im Gegensatz zu Ihnen schon beim Abendessen gewesen - steht einem Betreuer und Masseur das nicht zu?

Ruthenberg: Schon, wir haben jetzt noch alles zusammengeräumt, denn nach den vielen Stürzen gibt es nach den Massagen mehr zu tun. Und spät abends geh' ich noch mal rum zu allen...

SZ: . . . und machen bei Ullrich und Zabel das Licht aus?

Ruthenberg: Na ja, kann man fast so sagen, vor allem teile ich noch die frische Wäsche aus. Und wenn die dann nicht sauber ist! Dann krieg' ich's aber! Dann stellen die sich an und sagen: ,Ey Eule, wat is hier los?' Oder der eine will noch einen Verband, dem anderen tut das Sitzfleisch weh. Dann geh ich da eben noch mal ran.

SZ: Alle nennen Sie hier Eule . . .

Ruthenberg: ... ganz früher wurde ich noch Professor Doktor Eule genannt, wegen meiner Brille. Ich bin selber ein ganz guter Querfeldeinfahrer gewesen, da hatte ich so 'ne alte Gasmaskenbrille, von der Arbeit, die hat mich immer auf Kurs gehalten. Ich war ja früher bei der Verkehrspolizei und habe dann umgelernt. Seitdem bin eben ,der Eule'. Ich glaube, die ausländischen Fahrer wissen gar nicht, dass ich Ruthenberg heiße.

SZ: Wen massieren Sie?

Ruthenberg: Erik Zabel und Andreas Klöden, früher sieben Jahre auch Jan Ullrich. Der hat immer gesagt: ,Eule, Tür abschließen, da hab ich mich den ganzen Tag drauf gefreut.' Und dann ist er meistens eingeschlafen. Der Erik hat all die Jahre immer geredet bei der Massage, aber jetzt ist er auch schon so weit, dass er manchmal richtig abschaltet. Er wird halt auch älter.

SZ: Massieren Sie auch Seelen?

Ruthenberg: Das bleibt nicht aus, ich kenn' Zabel ja schon, seitdem er zehn war und mit meinem Sohn Schülerrennen gefahren ist. Da werden dann viele Sachen besprochen, und dann weiß er: Da bleibt alles in den vier Wänden.

SZ: Und wenn es demnächst in die Berge geht, sprechen Sie ihm Mut zu?

Ruthenberg: Klar, aber da muss man schon vorsichtig sein an so einem Tag. Wenn ich versuche, mit ihm darüber zu reden, merkt er meistens gleich, was ich vorhabe. Dann sagt er auch mal: ,Eule, heute brauchste nix sagen.' Dann reden wir bei der Massage manchmal nicht ein Wort. Ich glaube, er schätzt das, dass ich ihm das nicht so aufzwinge.

SZ: Sie sind ja auch kein Frisör.

Ruthenberg: Genau, nur wenn er selber beginnt, steig' ich mit ein.

SZ: Was haben Sie morgens zu tun?

Ruthenberg: Da mach' ich die Verpflegung fertig, für die Fahrer und Sandwichs fürs Personal. Und dann fette ich die Rennhosen an der Sitzstelle ein, entweder mit Gelb oder Weiß . . .

SZ: Margarine oder Frischkäse?

Ruthenberg: Nee, Gelb ist Vaseline, Zabel zum Beispiel will ganz dünn Vaseline, und das Weiße ist Melkfett. Bis zehn Uhr müssen dann die Koffer zur Abreise fertig sein. Und vorm Start doktere ich dann an jedem rum: Funk anmachen, der andere will eingerieben werden, sowas. Zabel fragt: ,Eule, wie ist das Wetter? Unterhemdchen oder nicht?' Dabei sind 'se ja selber schon draußen gewesen. Aber die Jungs brauchen das.

SZ: Und dann fahren Sie zum Ziel und warten mit Handtüchern und Trinkflaschen. Sehen Sie im Gesicht von Zabel, welchen Platz er belegt hat?

Ruthenberg: So in etwa, die selber wissen ja genau, wat 'se geworden sind, auch wenn es nur Zentimeter waren. Ich sehe das ja meistens nicht, und dann will ich hinterm Ziel wissen, was er geworden ist. Aber Zabel will das dann von mir wissen! ,Dafür stehste doch hier', sagt er. Aber das hat er jetzt auch aufgegeben. Jetzt will er nur noch wissen, wo der Wagen steht und ob er zur Dopingkontrolle muss. Trinken tut er eigentlich nie was, und da frag ich mich mal, wofür ich die Flaschen dabei habe.

SZ: Sie sind fast das ganze Jahr unterwegs, was sagt Ihre Frau dazu?

Ruthenberg: Nix, die sagt nur was, wenn ich mal eine Woche zuhause bin: ,Du bist so unruhig, ich glaube, du musst wohl besser wieder los.'

© Süddeutsche Zeitung vom 10.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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