Interview:"Assauer weiß, dass er mit dem Feuer spielt"

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Clemens Tönnies ist Vorsitzender des Aufsichtsrats beim FC Schalke 04, dem er seit 1995 angehört. Im SZ-Interview nimmt er Stellung zur Entlassung von Trainer Jupp Heynckes und spricht über unruhige Zeiten bei Schalke 04 und die Risikopolitik von Rudi Assauer.

SZ: Herr Tönnies, Schalke hat Schulden, keinen Cheftrainer mehr und steht vor den Wochen der Wahrheit. Wie gefährlich ist die Situation?

Passten nicht zusammen: Rudi Assauer und Jupp Heynckes. (Foto: Foto: dpa)

Clemens Tönnies: Die finanzielle Situation drückt nicht. Wir haben genügend Liquidität, um das Tagesgeschäft abzuwickeln. Dieses Jahr kommen wir durch.

SZ: Manager Rudi Assauer ist nach der Entlassung von Trainer Jupp Heynckes in die Kritik geraten und scheint viel zu grübeln, aber nach außen gibt er sich kämpferisch.

Tönnies: Er hat sehr damit zu kämpfen, was abgelaufen ist. Für mich ist dieser Trainerwechsel auch keine Sache, die nur von der Mannschaft ausgegangen ist, sondern auch von Assauer selbst, mit welchen Methoden auch immer, das will ich nicht kommentieren. Rudi Assauer hat erkannt, dass er jetzt nur noch Erfolg haben kann. Wenn er jetzt noch mal daneben greift, dann kriegt er's schwer.

SZ: Mit wem?

Tönnies: Mit dem Aufsichtsrat und mit den Vorstandskollegen, weil er immer stur seine Meinung vertreten hat. Wir sind uns einig, dass wir das jetzt noch mittragen, weil es auch sachliche Gründe für den Trainerwechsel gab, aber er weiß, dass er mit dem Feuer spielt und jetzt Erfolg haben muss, sonst sehe ich ihn in Gefahr.

SZ: Rudi Assauer sagt, seine Bilanz beim FC Schalke 04 sei unter dem Strich noch immer positiv.

Tönnies: So eine persönliche Aufrechnung ist nicht wertfrei. Der Erfolg der Arena und die Erfolge auf Schalke sind nicht allein ihm zuzuschreiben. Er macht seine Aufgabe hervorragend, aber man muss die Arbeit eines Teams bewerten.

SZ: Was hat er erreicht auf Schalke?

Tönnies: Das hieße jetzt, Eulen nach Athen zu tragen. Rudi Assauer ist bienenfleißig und hochloyal, aber er hat es hier und da überzogen, wir sind ja nicht in einem Fürstentum. Er ist in den vergangenen Jahren teamfähiger geworden, nach außen mimt er den Macho, das soll er auch.

Ich sehe insgesamt den Erfolg auf Schalke, und wir haben einen Manager, der Schalke nach außen repräsentiert wie es ist, ein bisschen verrückt, aber liebenswert. Eigentlich gibt es gar nicht viel zu kritisieren, wir müssen nur darüber nachdenken, wie wir in Zukunft mit Rudi Assauer umgehen, denn im nächsten Jahr stehen Wahlen an, und wir müssen die Vertragsverlängerungen machen, das sind Fragen, die wir beantworten müssen.

SZ: Rudi Assauers jüngere Bilanz auf Schalke beinhaltet vier Trainerwechsel in zwei Jahren, 60 Millionen Euro für Spielereinkäufe in fünf Jahren, über 100 Millionen Euro Schulden.

Tönnies: Das sind genau die Dinge, über die wir diskutieren müssen. Aber das hat er nicht allein zu verantworten, sondern der gesamte Vorstand. Wir sind zum Erfolg verdammt, wir werden diesen Erfolg einfahren, das kriegen wir hin. Wir sind finanziell nicht in Gefahr, wenn wir vernünftig kicken.

SZ: Der Verein ist durchaus in Gefahr. Was, wenn es im UI-Cup schief gegangen wäre, was, wenn Schalke am Mittwoch im DFB-Pokal in Kaiserslautern ausscheidet?

Tönnies: Wenn wir im UI-Cup nicht weitergekommen wären, hätten wir Marcelo Bordon vom VfB Stuttgart nicht geholt, den haben wir in letzter Sekunde verpflichtet. Wir sind kein Sparklub. Wir nehmen die Mittel, die wir zur Verfügung haben, und setzen sie ein, um oben mitzuspielen. Unsere Bilanz kann nur der sportliche Erfolg sein. Wir haben eine Finanzplanung, die vom Wirtschaftsrat geprüft wird, und mit dem Erreichen der Gruppenphase im Uefa-Pokal sind wir für dieses Jahr durch.

SZ: Die Kritik an Assauer wird lauter. Ist er noch der Richtige für Schalke?

Tönnies: Wir müssen uns jetzt mit ihm zusammen Gedanken machen, wie es weitergeht. Er ist 60 Jahre alt, und für einen Patriarchen kann es schlimm sein, zu spät abzudanken. Ich war nicht glücklich über diese Trainerentlassung, das gebe ich zu.

SZ: Rudi Assauer wusste, was für ein Typ Jupp Heynckes ist - wie kann er sich hinterher beschweren, dass der altmodisch ist?

Tönnies: Das "Problem Heynckes" war kein Problem der Mannschaft, sondern eines von Rudi Assauer. Die beiden sind miteinander nicht klar gekommen.

SZ: Wenn der Trainer keinen Erfolg mit der Mannschaft hat, wird er vom Manager zur Verantwortung gezogen. Wenn der Manager aber mit seinen Trainern keinen Erfolg hat, muss der Aufsichtsrat reagieren.

Tönnies: Das ist normal, aber wir müssen jetzt noch drei, vier Spiele abwarten. Wenn wir die gewinnen, brauchen wir den Manager nicht in Frage zu stellen.

SZ: Sie haben gesagt, es stehen Gespräche an. Wann?

Tönnies: Wir haben am 13. Oktober Vorstands- und Aufsichtsratssitzung, da besprechen wir die sportliche Situation.

SZ: Rudi Assauer sagt: "Wann ich aufhöre, entscheide nur ich!"

Tönnies: Dann muss er in die Satzung gucken, da steht drin, wer zu sagen hat, wann er aufhört.

SZ: Warum ignoriert er, dass es mit dem Aufsichtsrat ein Kontrollgremium gibt, das auch für ihn gelten sollte?

Tönnies: Weil er das vielleicht noch nicht verstanden hat.

SZ: Er entscheidet also nicht allein, wann er aufhört?

Tönnies: Nein. Wir werden einem verdienten Mitarbeiter wie Rudi Assauer immer das letzte Wort gönnen, aber die letzte Entscheidung trifft formaljuristisch nur einer: der Aufsichtsrat.

SZ: 2005 laufen die Verträge der vier Vorstandsmitglieder aus, gehen sie davon aus, dass sie verlängert werden?

Tönnies: Wir haben im Augenblick eine Diskussion im Aufsichtsrat, wonach wir darüber nachdenken, die Verträge bei Vorstandsmitgliedern, die über 60 sind, nicht mehr um fünf Jahre zu verlängern, sondern nur ein oder zwei Jahre. Das hat aber nur mit dem Alter zu tun und nichts mit der Qualität der Arbeit.

SZ: Wundern Sie sich über die Diskussion in den Medien über Assauer?

Tönnies: Ich wundere mich in dieser Branche über gar nichts mehr. Wenn ich insbesondere den guten Kontakt von Rudi Assauer zu bestimmten Teilen der Presse sehe, und lese jetzt die Geschichte eines Schwächeanfalls, dann leisten die eine gute Arbeit für ihn.

SZ: Wie konnte es überhaupt zu Assauers Allmacht auf Schalke kommen?

Tönnies: Die gibt es so auch nur in der Außendarstellung und liegt in der Person begründet. Seinem neuen Trainer in der Pressekonferenz gleich unwirsch über den Mund zu fahren, würde mir nicht passieren. Aber das ist Rudi Assauer. So lieben ihn die Fans, so kodderig wie er ist.

SZ: Es geht aber nicht nur um Image und Liebenswürdigkeit. Assauer fungiert bei allen 17 Schalker Tochtergesellschaften als Geschäftsführer...

Tönnies: ...dafür bekommt er kein Geld...

SZ: ...aber wenn mal ein neuer Manager kommt, braucht der Monate, um sich in diesem Konstrukt zurecht zu finden, das macht einen Wechsel schwierig.

Tönnies: Überhaupt nicht. Die Dinge sind sehr übersichtlich. Auf so etwas wären wir vom Aufsichtsrat oder vom Wirtschaftsbeirat auch nicht hereingefallen, dass sich einer dadurch unaustauschbar macht.

SZ: Assauer ist für Schalke also nicht unentbehrlich?

Tönnies: Niemand ist unentbehrlich.

Interview: Ulrich Hartmann

© Süddeutsche Zeitung vom 22.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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