Ingolstadt weiter ohne Punkt vor eigenem Publikum:Nur ein Debütant darf lächeln

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Wenig Grund zur Freude: Ingolstadts Interims-Trainer Stefan Leitl. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Bei der Heimpremiere von Interimstrainer Stefan Leitl gibt der FC Ingolstadt 30 Torschüsse ab. Am Ende freuen sich die wesentlich effizienteren Gäste aus Aue über einen 2:1-Sieg.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Auf den ersten Blick war nicht viel neu für Stefan Leitl am Samstagnachmittag. Wieder einmal kickte seine Mannschaft im Ingolstädter Sportpark. Dieses Mal hatte sie bloß die weißen Auswärtstrikots statt der rot-schwarzen Heimleiberl übergestreift. Und doch sollte dieses Spiel gegen den FC Erzgebirge Aue eine Premiere für Leitl sein: seine erste Partie daheim als Profitrainer des FC Ingolstadt in der zweiten Fußball-Bundesliga. Zuvor leitete er im Sportpark ja nur die U21 an.

Vor dem Spiel begrüßte Leitl in seinem zweiten Spiel als Übergangstrainer weitere neue Gesichter der Liga: Schiedsrichter Tobias Reichel und Aues Trainer Hannes Drews, von Holstein Kiels U19 gekommen, feierten ebenfalls Premiere in ihrer jeweiligen Position. Als einziger lächelnd den Platz verlassen hat Hannes Drews nach dem 1:2 (0:1) für Aue. Was Leitls Arbeitsplatz, der anders als Drews nur Interimscoach ist, nicht sicherer gemacht haben dürfte. "Wir werden die Sachen aufarbeiten, und dann macht man sich darüber Gedanken", sagte FCI-Sportdirektor Angelo Vier, auch erst seit kurzem im Amt, auf die Frage, ob Leitl zur Dauerlösung werden könnte.

Leitl, der auch Jahre nach seinem Rücktritt als Profi immer noch einen wohl definierten Sportlerkörper hat, erklärte seinerseits: "Wenn man sieht, wie viele Torchancen wir hatten, ist das aller Ehren wert." Auch nach dem 1:2 könne man "auf dieser Leistung aufbauen". Worin ihm Vier zustimmte: "Der Wille war da, die Mannschaft hat alles versucht", sagte er.

Das Spiel gerät anfangs arg kuschlig

Aber der Reihe nach: Zu Spielbeginn standen alle drei Debütanten. Das dürfte wohl ihrer Nervosität vor der Premiere geschuldet gewesen sein, wobei man Aues Drews schon unterstellen darf, dass er sich das Stehen von Leitl abgeschaut hat, da er erst zögerlich aufstand und sich gleich wieder setzte. Leitl stand dagegen bis weit in die erste Hälfte. Nur, wie das so ist, wenn man wie auf einer Theaterbühne in seiner sogenannten Coaching Zone im Rampenlicht steht: Man weiß nie, wohin mit den Händen. Leitl, mit Paar-Tage-Bart und in schwarzen Sportklamotten, versuchte es abwechselnd mit: Hände in den Hosentaschen, verschränkt vor dem Bauch oder im Gesicht. Ab und zu klatschte er auch.

Doch viel Gelegenheit hatte er dafür nicht. Denn das Spiel vor 10 148 Zuschauern war zu Beginn so in etwa so kuschelig wie das TV-Duell der Kanzlerkandidaten am vergangenen Sonntag. Keiner wollte wirklich angreifen. Bis der Auer Spielmacher Christian Tiffert noch aus der eigenen Hälfte Angreifer Pascal Köpke zum Kontern schickte. Der muss sich wie kurz vor der Vermählung vorgekommen sein, zumindest ließ ihn das Empfangskomitee - die Ingolstädter Verteidiger Marvin Matip und Romain Brégerie - ohne Anstalten in den Strafraum einziehen. Wo Köpke den Ball dann wohl überlegt über den vor dem Altar wartenden Norweger Örjan Nyland hinweg ins Tor chippte. Gejubelt haben dann nicht alle Hochzeitsgäste, sondern nur die violett gekleideten Auer über ihr 1:0.

Ingolstadts Antwort ließ nach erneuten Kanzlerduell-ähnlichen Minuten auf sich warten, aber Sonny Kittels Kopfball flog weit über das Tor (23.). So ganz vermochte Stefan Leitl seine Jungs nicht aufzuwecken. Was auch daran lag, dass er anfangs gar nicht so emotional auftrat, wie man es vielleicht von ihm erwartet hatte. Im Gegensatz zu Aues Co-Trainer Robin Lenk, der einmal sogar auf die Glasumrandung der Trainerbank eindrosch, nachdem die Gäste wieder einmal einen Ball im Vorwärtsgang verloren hatte. Lenk war bis vor kurzem selbst noch Interimstrainer und sei nun "erster Offizier" von Drews, hatte Präsident Helge Leonhardt bei dessen Vorstellung gesagt.

Das Fehlen von Pascal Groß wird schmerzlich deutlich

Gleich danach setzte Ingolstadts Darío Lezcano Stefan Lex ein und der traf (33.). Doch Reichel beging seinen ersten Fehler im Profifußball, entschied auf Abseits und zog sich Leitls Zorn zu: "Von einem Schiedsrichterteam erwarte ich, dass es eine so klare Situation sieht", sagte der 40-Jährige. Der mit ansehen musste, dass seine Mannschaft deutlich mehr Ballbesitz hatte, aber erst sehr spät zu Torgelegenheiten kam. Das hat viel mit dem Verlust von Pascal Groß zu tun, der nicht adäquat ersetzt werden konnte und bezeichnenderweise beim 3:1 seines neuen Klubs Brighton and Hove Albion in Englands Premier League am Samstag zwei Tore schoss und eines vorbereitete.

Zu Beginn der zweiten Hälfte konterte Aue geschickt und erzielte das 0:2. Alleine vor Nyland passte Köpke zu Nebenmann Sören Bertram, der nur noch einschieben musste (50.). Drews feierte. Und Leitl reagierte: Er holte schnell Stürmer Stefan Kutschke zu sich und wechselte ihn für den Mittelfeldspieler Tobias Schröck ein. Was Ingolstadt noch einmal offensiv stärkte, der FCI hatte am Ende 30 Torschüsse, kam zu einigen großen Chancen, doch die Tore wollten nicht fallen. Lediglich der bullige Angreifer Lezcano traf nach einem langen Ball von Linksverteidiger Marcel Gaus noch zum 1:2 (82.).

Und so kam es an diesem Tag der Premieren für Leitl also so, dass er nach dem ersten Sieg vor zwei Wochen in Fürth nun die erste Niederlage als Profitrainer miterleben musste - und nur der Debütant Drews in seiner hellbraunen Hose mit einem Lächeln vom Rasen spazierte.

© SZ vom 10.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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